Sonntag, 12. Juli 2020

Besuch bei The Lübbehusen Malt Distillery in Emstek

Vor rund zwei Jahren habe ich Jens Lübbehusen und seinen Whisky auf dem Bremer Bottle Market kennengelernt. Schon damals hatten wir verabredet, dass ich bei Gelegenheit mal in der Destillerie im rund 50 Kilometer südlich von Bremen gelegenen Emstek vorbeischaue. Nachdem es lange Zeit nicht geklappt hat mit dem Besuch, habe ich nun endlich meine Frau für einen Ausflug ins Oldenburger Münsterland eingepackt und kurzerhand ein Hotelzimmer in Emstek gebucht. Obwohl aktuell noch keine offiziellen Führungen und Tastings in der Destillerie durchgeführt werden, signalisierte uns Jens bereits im Vorwege, dass wir herzlich willkommen sind und er uns gerne durch die Destillerie führen würde. So ein Angebot kann man sich doch nicht entgehen lassen!

Bei regnerisch-grauem Wetter ging es also auf die Autobahn Richtung Bremen. Nach einem kurzen Shopping-Stop dort war der Rest des Weges dann in weniger als 45 Minuten geschafft und wir standen vor der Destillerie. Da wir aber zunächst im Hotel einchecken und dann Jens kontaktieren wollten, blieb es zunächst beim ersten Blick auf das moderne Gebäude von außen. Schließlich sollten wir das innere der Destillerie im weiteren Verlauf des Tages noch genau zu Gesicht bekommen. Hierfür wurden wir dann am Nachmittag von Marko, mit dem Jens The Lübbehusen als Zwei-Mann-Betrieb komplett allein - abgesehen von etwas Unterstützung für den Online-Bereich - betreibt, im Hotel abgeholt. Nach rund fünf Minuten Fahrt erreichten wir dann zum zweiten Mal an diesem Tag unser Ziel.

Da Jens noch mit einem Kunden unterwegs war, begannen wir unsere Tour durch die Destillerie zunächst mit Marko. Gleich im Eingangsbereich steht die 2.000-Liter Pot Still. Im fünfstündigen Brennvorgang werden hier ca. 150 Liter Feinbrand erzeugt. Nachdem jedoch schon im letzten Jahr wenig gebrannt wurde, tendiert die Produktionsmenge in diesem Jahr bisher noch gegen Null. Zu unsicher ist die Situation aktuell und das Fasslager, das wir später noch zu sehen bekommen sollten, ist mit etwas mehr als 500 Fässern gut gefüllt. Zu einer großen Lücke im Verkauf sollte es dennoch nicht kommen, denn für die Zukunft will man auch auf ältere Tropfen setzen und dabei auch Standard-Abfüllungen der Destillerie etablieren.

Direkt hinter der Pot Still liegt der Shop mitten in der Destillerie. In einem kleinen Seitenraum steht außerdem eine kleine Brennanlage, auf der Gin und Aquavit hergestellt wird, wofür der Rohalkohol allerdings zugekauft wird. Den Gin durfte ich später noch probieren, er ist sehr zitruslastig und hat eine deutliche Wacholer-Note. Der Aquavit ist noch nicht auf dem Markt, hieran wird aktuell noch etwas experimentiert. Die Herausforderung bei der Herstellung des Aquavits ist auch, dass Kümmel, wenn man ihn lediglich auf einer Edelstahlanlage verarbeitet, Esthernoten erzeugt. Also wurde kurzerhand das Kräutersieb mit Kupfernägeln gefüllt, so dass man die ungewollten Aromen vermeiden kann. Beratung für alle Spirituosen erhält The Lübbehusen übrigens nicht nur von anderen Brennerkollegen aus ganz Deutschland, sondern zu einem großen Teil auch von der Expertin Julia Nourney, die vielen sicherlich ein Begriff sein dürfte.

Das Jahr 2020 hat Jens übrigens zumindest in Bezug auf Messen bereits abgeschrieben. Hoffen wir mal darauf, dass es doch noch etwas positiver aussieht, denn tolle Tropfen hätte er auf jeden Fall zu präsentieren. Im Abfüllraum, in dem noch immer jede Flasche von Hand abgefüllt und gelabelt wird, stehen u.a. zwei neue Bottlings, auf die nur noch die Etiketten geklebt werden müssen. Dabei handelt es sich zum einen um das neueste Batch des Unpeated sowie des Peated. Letzteren gibt es in Trinkstärke in 5cl-, 35cl- und 70cl-Flaschen, in Fassstärke dann noch als 50cl-Flasche. Insgesamt wurden für letzteren drei Fässer geleert, der Whisky ruhte dabei zunächst in Virgin Oak bevor er in Ex-Bourbon Fässer umzog. Direkt gegenüber stehen dann auch die fünf Mashtuns, die mit den Wochentagen Montag bis Freitag beschriftet sind. Außerdem findet sich im Raum ein Hochzeitsfass, in dem Abfüllungen, die sich aus mehreren Fässern zusammensetzen, vermählt werden.

Besonders spannend für jeden Whisky-Nerd ist natürlich auch der Blick ins Fasslager, das sich bei The Lübbehusen im Tiefparterre befindet. Das liegt daran, dass erst in dieser Tiefe der Grund tragend war, gleichzeitig hat man sich so die Möglichkeit offengelassen, noch eine zweite Etage aufs Dach zu setzen. Schon beim Betreten des Lagers strömt der Duft aus den verschiedenen Fässern in die Nase. Beim Gang durch die Gänge habe ich vorrangig Virgin Oak Fässer mit verschiedenen Toasting-Graden, Ex-Bourbon Fässer und mehrere Ex-Laphroaig Fässer finden können. Nur vier Sherry Fässer stehen derzeit im Lager, von denen nur zwei befüllt sind. Dazu ist ganz frisch ein Ex-Sherry Fass von Springbank gekommen, das demnächst befüllt werden soll. Überhaupt findet man eine gute Handvoll Ex-Springbank Fässer, die vom ältesten Online-Händler Deutschlands und unabhängigem Abfüller Scoma stammen. Die Virgin Oak Fässer sind aktuell maximal in der Zweitbelegung, weitere Belegungen plant Jens mit den Fässern nicht, weil die Fässer dann nicht mehr so viele Aromen abgeben, wie er es sich wünscht. Gerne hätte ich beim Verlassen der Fässer eines der Fässer unter meinem T-Shirt verschwinden lassen, aber ich befürchte, das wäre aufgefallen.

Auf dem Weg zurück in Richtung Verkostungsraum machten wir noch kurz Station an einem Fass, das nicht vom Zoll versiegelt wurde. Das wird im Fasslager grundsätzlich gemacht, um nicht pauschal versteuern zu müssen. Der Angels Share ist nämlich je nach Standort des Fasses stark schwankend und liegt oftmals auch deutlich über 4%. Beim nicht versiegelten Fass handelt es sich allerdings nicht um Whisky, das Fass enthält ein Experiment mit fassgelagertem Gin, das laut Marko schon eine sehr gute Entwicklung nimmt. Im Verkostungsraum stieß dann auch Jens zu uns. Außerdem hatte ich zwischenzeitlich unsere Gruppe um eine kleine Familie erweitert, die genauso gespannt auf die unterschiedlichen Tropfen war wie wir.



Wir starteten mit dem recht milden und runden Unpeated, der nach 22 Monaten im Virgin Oak in Ex-Bourbon Fässer umzog und mit 44,8% in die Flasche kam. Hiervon habe ich mir später die fassstarke Version als große Flasche mit nach Hause genommen, so dass ich diese Version sicherlich hier auf Drams United noch ausführlich vorstellen werde. Außerdem gab es den würzig-süßen Rye Single Cask, der beim ersten Ansatz etwas in die Hose ging, denn der Ansatz war so verkleistert, dass nur er nur noch zwölf Liter ergab. Dieses Mysterium ist aber inzwischen gelöst und ein solches Malheur sollte nicht wieder vorkommen. Danach folgte der Vintage, der sich aus verschiedensten Fässern zusammensetzt und auch einen geringen getorften Anteil enthält. Das macht ihn wahnsinnig spannend und für seine Jugend ungewöhnlich komplex. Hier geht mein ganz herzlicher Dank an Marko, denn die fassstarke Variante ist grundsätzlich ausverkauft. Marko hatte aber gehört, dass bei Terra di Vino in Cloppenburg noch zwei Flaschen im Regal stehen. Das stimmte nicht ganz, denn es war tatsächlich nur noch eine einsame Flasche, die nun aber ein warmes Zuhause bekommen hat.

Im Verkostungsraum befindet sich außerdem ein kleines 30l-Fass, das schon vor drei Jahren mit einem Spirit mit zweijähriger Vorbelegung im Virgin Oak Fass befüllt wurde. Inzwischen fließt der Whisky fast wie Sirup aus dem Fass, ist dabei aber wahnsinnig intensiv mit vielen Fruchtaromen, Süße und würzigen Einflüssen. Der folgende Peated - das getorfte Malz dafür stammt anders als die ungetorfte Variante aus Schottland - mit 12ppm wirkte dagegen fast schon wieder mild. Trotzdem hatte der Whisky eine Note, die mich fast an den dreckigen Stall von Ledaig oder aus Campbeltown erinnerte. Der folgende Sherry Cask in Fassstärke reifte ebenfalls zunächst in Virgin Oak und durfte danach in PX und Oloroso Fässer umziehen. Diesen Whisky habe ich vor einiger Zeit schon einmal ausführlich an dieser Stelle vorgestellt, gefallen hat er mir und vor allem meiner Frau immer noch genauso gut wie damals.

Extrem spannend fand ich dann die Möglichkeit, den New Make der Destillerie zu probieren. Dieser kann nicht käuflich erworben werden, wird aber als Grundlage für die White Dog Liköre genutzt. Mit gut 90% läuft der Spirit aus der Blase und wird später auf 60% für die Befüllung der Fässer herunterverdünnt. Ich habe beim New Make sehr intensiv mit Wasser gespielt, da mir die 90% dann doch etwas zu viel waren. Die Nase bietet aber auch in Originalstärke überraschend viel Karamell und Mandel. Mit etwas Wasser kommt dann mehr Süße und Frucht ins Spiel, außerdem werden florale Noten präsenter. Zum Vergleich schenkte mir Jens den New Make einer anderen großen deutschen Brennerei ein, der jedoch mit dem Spirit von The Lübbehusen nicht mithalten konnte. Uns dürften also auch in Zukunft extrem spannende Abfüllungen aus Emstek erwarten, vor allem, da man sich hier wirklich auf Whisky fokussiert.

Nicht nur für die Damen gab es außerdem die drei tollen New Make Liköre mit Nüssen und einem Anteil Haselnussbrand, mit Kaffee und mit Beeren ins Glas. Alle drei sind wirklich sehr gelungen, wenn man auf die etwas süßeren Liköre steht. Dabei ist die Süße natürlich im Vergleich zu den üblichen Supermarkt-Produkten noch eher dezent, für Whisky-Trinker aber natürlich deutlich spürbar. Trotzdem finde ich die Liköre sehr ausgewogen. Meine Frau war außerdem sehr vom Honig-Rye Likör begeistert, der auf Basis eines fünf Jahre alten Rye Whiskys mit Honig auf 30% heruntergebracht wurde. Die Mischung aus Würze und süßem Honig konnte auch mich überzeugen. Zusammenfassend sind wir Jens und Marko sehr dankbar für die Möglichkeit, die Destillerie einmal genau unter die Lupe nehmen und dabei auch die Produkte probieren zu können. Uns hat der Nachmittag sehr viel Spaß gemacht und wir freuen uns darauf, die mitgenommenen Abfüllungen zu Hause noch einmal zu probieren und uns an den schönen Tag zu erinnern. Wir kommen sehr gerne wieder!

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