Donnerstag, 10. Oktober 2024

Besuch bei der Nicolai & Sohn Whiskybrennerei in Erfurt

Als letzte Station unserer diesjährigen Rundreise durch Deutschland hatten wir uns Erfurt ausgeguckt, da ich im Vorwege von der ganz jungen Brennerei Nicolai & Sohn gelesen hatte, die erst einmal einen spannenden Eindruck auf mich machte, obwohl ich noch nichts von dort probiert hatte. Einen Whisky vom Erfurter Güterbahnhof konnte ich aber auch noch gar nicht probiert haben, denn das älteste Destillat ist aktuell gerade einmal gute zwei Jahre alt. Ich machte mich also auf die Suche nach einer Unterkunft möglichst nah an der Brennerei und gleich die erste Ferienwohnung sah eigentlich sehr vielversprechend aus. Nach einiger Recherche habe ich von der Gegend aber wieder Abstand genommen, denn wie in anderen Städten auch gibt es einfach Viertel, in denen man sich nach Sonnenuntergang nicht mehr auf die Straße wagen sollte. Wir entschieden uns dann für die Krämpfervorstadt, von wo aus es nur rund 15 Minuten Fußweg in die Altstadt und genauso weit zur Brennerei waren und wir außerdem abends noch einen wirklich hervorragenden Döner mit Putenfleisch bei Tarik Tüney bekommen haben.


Am späten Nachmittag machten wir uns also bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg zum Güterbahnhof, wobei uns klar war, dass wir viel zu früh da sein würden. Das war aber durchaus beabsichtigt, denn direkt neben der Brennerei befindet sich die Craft Beer Brauerei Heimathafen. Dort war es nicht nur sehr gemütlich, sondern die Biere haben uns auch noch sehr gut geschmeckt. Pünktlich um 17:30 Uhr waren wir dann aber wieder ein paar Tore weiter vorn, wo sich die Brennerei Nicolai & Sohn befindet. Leo, mit dem ich vorab schon Kontakt per Mail hatte, begrüßte uns sehr freundlich und bot uns Sitzplätze und Getränke an. Nach und nach trudelten auch die übrigen Gäste der heutigen Führung ein, so dass wir pünktlich mit einer kurzen Einführung zur noch kurzen Geschichte der Brennerei starten konnten. Dazu gab es aber natürlich auch den ersten Schluck in Form des Krume Likörs ins Glas.

Tatsächlich musste ich erst einmal googeln, was Krume überhaupt bedeutet, denn der Begriff war mir so gar nicht geläufig. Er bezeichnet die oberen zehn Zentimeter der Erdschicht, in der die meisten Feldkräuter wachsen. Diese werden dann auch für den Kräuterlikör verwendet. Es wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Kräuter aus der Region sind, deswegen werden sie ausschließlich von einem Hof in einem Nachbarort bezogen. Im Vordergrund steht vor allem Petersilie, dazu kommen aber unter anderem auch Salbei, Basilikum, Thymian und Fenchelkraut, eben alles das, was in der Region an Kräutern wächst. Mit 115g pro Liter wird im Vergleich zu anderen Kräuterlikören relativ wenig Zucker zugesetzt, außerdem gibt es keine zusätzlichen Aromen oder Farbstoffe, die zugesetzt werden. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen, denn dieser Kräuterlikör gefällt mir richtig gut und steht inzwischen auch bei mir zu Hause im Regal. Ganz neu gibt es neben der neuen Charge mit den üblichen 28% noch eine Variante mit 48%. Da werde ich sicherlich auch noch einmal zuschlagen müssen.

Natürlich haben wir aber auch eine Tour durch die eigentliche Brennerei gemacht, in der seit 2022 neben Gin und dem Krume Likör auf einer Anlage von Ulrich Kothe auch Whisky hergestellt wird. Dabei war man zunächst mit einem recht knappen Budget unterwegs, so dass zum Beispiel zum Start kein Spirit Safe vorhanden war und man mit anderen mit dem Zoll abgestimmten Lösungen arbeiten musste. Ein Spirit Safe ist inzwischen vorhanden, was die Produktion deutlich vereinfacht. Ebenfalls in der Halle befindet sich das Fasslager, wo aktuell rund 40 bis 50 Fässer schlummern, die u.a. von Wild Turkey und Garrisson Brothers stammen, wenn sie zuvor Bourbon enthielten, es gibt aber auch ehemalige Sherry- und Portfässer. Angestrebtes Ziel ist es aber nicht, unbedingt nach drei Jahren den ersten Whisky auf den Markt zu bringen. Vielmehr soll der Whisky so lange reifen, wie er benötigt, um bis zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Bis dahin wird mit Gin und Krume Geld verdient, wobei beide Linien auch dann fortgeführt werden sollen, wenn der Whisky marktreif ist.

Ins Glas gab es als nächstes einen fassgelagerten Gin aus dem Sherry Cask. Das Fass war ursprünglich für einen Kunden vorgesehen, der es mit frischem New Make befüllen lassen wollte, aber leider war bei Lieferung des Fasses noch kein abfüllbereiter New Make vorhanden. Damit das Fass nicht austrocknet, wurde es dann mit Gin belegt. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen, obwohl ich eigentlich so gar kein Gin-Fan bin, hat mir diese Abfüllung richtig gut geschmeckt. Das liegt aber auch daran, dass der Gin nicht zu Wacholder-lastig ist, sondern auch sehr floral daherkommt, und das Sherry Cask natürlich noch einmal fruchtig-würzige Aromen mit ins Glas gezaubert hat. Danach gab es dann auch noch den aktuellen New Make, der sehr getreidige und malzige Noten bot, dazu aber auch ein leichtes Fruchtaroma, das ich allerdings bei anderen Brennereien schon stärker ausgeprägt geschmeckt habe. In jedem Falle ist er sehr gut trinkbar und überraschend mild, auch in der stärkeren und nicht käuflich erwerbbaren Variante, wie sie auch ins Fass kommt. Da kann ein toller Whisky draus entstehen!

Im Anschluss an die Tour nahm sich Leo noch etwas Zeit für uns und wir durften noch eine Fassprobe aus dem Port Cask probieren, die gute 18 Monate im Fass verbracht hat. Hier schmeckt man zwar noch die Jugend und die Grundaromen des New Makes haben sich noch nicht komplett mit der fruchtigen Süße des Port Casks verbunden, man kann aber schon sehr gut erahnen in welche Richtung es geht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in einiger Zeit richtig spannende Tropfen aus Erfurt ins Glas bekommen werden. Spätestens dann muss ich mich wieder auf den Weg nach Thüringen machen. Bis dahin halte ich mich erst einmal am tollen Krume fest, wenn es mal kein Whisky sein soll. Denn der ist, wie schon erwähnt, wirklich gut!

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