Mittwoch, 17. Juli 2019

Besuch bei der Glen Grant Distillery (im Rahmen der Schottland-Rundreise mit Villa Konthor)

Glen Grant hat unter Whisky-Liebhabern nicht zwingend den besten Ruf. Viele halten die Abfüllungen für zu jung, zu angepasst, zu dünn oder schlicht zu langweilig. Dabei lohnt sich durchaus ein Blick über das Standard-Sortiment der Destillerie hinaus. Immerhin hat Glen Grant eine lange Tradition und eine bewegte Geschichte mit mehreren Eigentümerwechseln seit der Gründung im Jahr 1840. Inzwischen gehört die Destillerie, die besonders in Italien, wo die Marke der meistverkaufte Whisky des Landes ist, viele Fans gefunden hat, zu Campari. Ich habe mich sehr gefreut, im Rahmen meiner Schottland-Rundreise mit der Villa Konthor diese Destillerie besuchen zu können.

Auf der Terrasse des Distillery Shops starteten wir unsere Führung mit Shirley, die bei ausschließlich deutschen Gästen auf der Tour unbedingt auch ihre sehr guten Deutschkenntnisse einsetzen wollte. Zunächst machten wir uns auf den Weg in die Produktionsanlagen, wo allerdings aufgrund der aktuellen Silent Season, die für Reparaturen genutzt wird, keine Produktion stattfand. Nachdem wir Shirley beibrachten, dass "Wet Paint" dem deutschen "frisch gestrichen" entspricht, sahen wir uns zunächst die Rohzutaten für den Whisky an. Besonders hierbei ist, dass statt der vielerorts üblichen Trockenhefe flüssige Hefe verwendet wird. Ansonsten ist interessant, dass das verwendete Getreide bis 1971 noch über Torf getrocknet wurde, so dass sehr alte Abfüllungen durchaus rauchig ausfallen dürften.

Nach einem Blick in die leeren Mash Tuns ging es zu den Washbacks, von denen es bei Glen Grant zehn Stück gibt. Diese wurden bereits 1975 in Betrieb genommen und sind aus amerikanischem Pinienholz aus Oregon. Ob und wann sie gegen Behälter aus Edelstahl ausgetauscht werden, ist noch nicht entschieden. Zunächst werden die aktuellen Washbacks, die intensiv gehegt und gepflegt werden weitergenutzt, so lange es möglich ist. Im nächsten Schritt konnten wir die insgesamt acht Stills sehen, die vergleichsweise hoch ausfallen. Eine Besonderheit sind die sogenannten Purifier - also eine Art Reiniger - am Ende der Stills. Diese sorgen dafür, dass die enthaltenen Öle möglichst weit reduziert werden. Dies ist einmalig in Schottland und sorgt für den leichten und frischen Stil der Whiskys.

Nach der Destillation hat der Spirit eine Stärke von 68%, wird allerdings vor der Abüllung ins Fass auf 63,5% herunterverdünnt. Die Nebenprodukte (oder negativ ausgedrückt die Abfälle) werden für die Stromerzeugung und als Futtermittel für Tiere genutzt. Grundsätzlich hätte Glen Grant die Möglichkeit, sechs Millionen Liter Alkohol pro Jahr zu produzieren, diese Grenze wird aber in der Regel nur zu 50% ausgenutzt. Für den britischen und deutschen Markt wird der jüngste Whisky mit einem Alter von fünf bis acht Jahren abgefüllt (Maior´s Reserve), in Italien gibt es auch einen Whisky mit fünfjähriger Altersangabe. Die Lagerung muss aber selbstverständlich in Schottland erfolgen. Hierfür gibt es klassische Dunnage Warehouses, wo maximal drei Fassreihen übereinander lagern, aber auch größere Warehouses mit bis zu sieben Fassreihen. Leider durfte ich im Dunnage Warehouse keine Fotos machen, so dass ich an dieser Stelle keine Impressionen liefern kann.

Zum Abschluss gab es natürlich wieder das obligatorische Tasting. Wir begannen mit dem schon erwähnten Maior´s Reserve, der mit 40% in die Flasche kommt. Sicherlich ist dies nicht der komplexeste Whisky, man muss aber auch bedenken, dass man ihn in Deutschland teilweise schon für unter EUR 20,- bekommt. Hierfür sind die gebotenen Birnen-, Karamell-, Nuss- und Vanillenoten sehr schön ausgeprägt. Am Gaumen wirkt der Whisky sehr süß und leicht, die Aromen aus der Nase finden sich auch hier wieder. Beim folgenden zehn Jahre alten Whisky wurden zusätzlich zu den für den Maior´s Reserve verwendeten Bourbonfässern auch Sherry-Fässer genutzt. Hierduch kamen zusätzlich noch Beeren, Rosinen und sehr viel zusätzliches Karamell ins Aromenprofil.

Da wir auf dieser Reise ausschließlich mit Whisky-Verrückten unterwegs waren, wollten wir natürlich gerne auch noch die im Shop exklusiv erhältliche Fassstärke probieren, die jedoch mit GBP 115,- für einen halben Liter bei einem Alter von elf Jahren recht preisintensiv ausfiel. Ein Mitreisender kam also kurzerhand auf die Idee, eine spontane Vor-Ort-Flaschenteilung durchzuführen, so dass auch ich in den Genuss dieser Abfüllung kam. Hier zeigt sich sehr deutlich, was die Destillerie zu leisten im Stande ist. Nach der Reifung im Bourbonfass erhielt der Whisky ein zweimonatiges Finish im frischen Portfass, so dass neben viel Süße vor allem Erdbeeren, Kirschen, Waldbeeren, Orangen und Zuckerwatte in der Nase zu finden waren. Am Gaumen gab es süße Erdbeermarmelade mit Sekt, Würze, Vanille, Karamell, viel Süße und Ingwer. Ein wirklich toller Tropfen, den ich für einen etwas niedrigeren Preis sehr gerne mit nach Hause genommen hätte.



Insgesamt war der Besuch bei Glen Grant sehr interessant. Es hat sich mal wieder gezeigt, dass man nicht immer viel auf den Ruf einer Destillerie geben muss. Das kann man sehr schön auch an Glenfiddich sehen, die ebenfalls oft als günstiger Supermarkt-Whisky gesehen werden, aber wirklich tolle Abfüllungen im Portfolio haben. Auch bei Glen Grant gibt es tolle Whiskys und selbst die günstigen und jungen Varianten haben ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Und wem der Whisky letztlich doch nicht schmeckt, der hat zumindest eine tolle Destillerie gesehen, wenn er zu einem Besuch vorbeikommt.

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