Mittwoch, 18. März 2020

Besuch bei der Destillerie Engenho Novo da Madeira (William Hinton Rum)

In der Vergangenheit habe ich schon die eine oder andere Whiskydestillerie in Schottland, Irland und Deutschland besucht und auch ausführlich über viele der Besuche berichtet. Über den Tellerrand in Richtung Rum habe ich auch schon ein ums andere Mal geschaut, aber eine Rumdestillerie habe ich so richtig bewusst noch nie von innen gesehen. Als ich Anfang Januar eine Kreuzfahrt buchte, die auch auf Madeira Station machen sollte, ist mir sofort William Hinton Rum eingefallen, der mir auf den Hamburger Sugarcane Days besonders gut gefallen hat. Kurzerhand kontaktierte ich Benjamin van Nees Ziegler vom deutschen Importeur Ginneslust, der wiederum ganz unkompliziert den Kontakt zu Eugenio Rodrigues von der Destillerie Engenho Novo da Madeira und Brand Ambassador Mario Gomes herstellte. So kam ich Anfang März in den Genuss, die spannende Destillerie und die nicht weniger interessanten Köpfe dahinter ausführlich kennenzulernen.

Da die Destillerie nur sehr schwer bis gar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist - Google hat mir als schnellste Strecke eine Fahrtzeit von 21 Stunden inklusive mehreren Kilometern Fußweg vorgeschlagen, bot uns Mario kurzerhand an, uns vom Schiff abzuholen. Dieses Angebot nahmen wir dankend an und rechneten mit einem direkten Weg mit dem Auto zur knapp 45 Minuten von Funchal entfernten Destillerie. Da hatten wir aber die Rechnung ohne Mario gemacht, der uns zunächst zur mit 580 Metern höchsten Steilklippe der Insel und gleichzeitig einer der höchsten Steilklippen der Europäischen Union. Der Glasboden bereitete mir tatsächlich etwas Unbehagen, aber für ein paar Schritte habe ich mich doch darauf getraut. Auf dem Weg zu dieser Plattform hatten wir bereits einen ersten Stopp an einem Zuckerrohrfeld gemacht, wo Mario uns erklärte, wie Zuckerrohr angebaut und geerntet wird. Im April und Mai steht wieder die zweimonatige Erntezeit an, die dann für die gesamte Jahresproduktion reichen muss.

Bevor wir dann wirklich zur Destillerie fuhren, gab es einen weiteren Halt, diesmal in einer kleinen Bar in einem imposanten Tal, wo Mario uns auf das für Madeira typische Getränk einlud, nämlich einen Poncha. Dabei handelt es sich um weißen Rum mit Honig, Zitronensaft und einem Schuss Orange, wobei das Rezept von Bar zu Bar immer wieder leicht variiert. Am frühen Nachmittag haben wir uns mit jeweils einem Glas begnügt, ich kann mir aber vorstellen, dass schon beim zweiten Glas, die Gefahr in einer solchen Bar zu versacken, sehr groß ist. Ich werde mich aber auf jeden Fall auch zu Hause mal an meinem persönlichen Familienrezept für Poncha versuchen.

Danach brachte uns Mario dann aber wirklich zur Destillerie, die mitten in einem Gewerbegebiet liegt und von außen eher wie eine kleine Fabrik aussieht. Im Inneren fällt dann zunächst die große Maschine ins Auge, mit der das Zuckerrohr zerkleinert wird. Außerdem ist auch die große Column Still nicht zu übersehen, deren Alter weder Mario noch Eugenio bekannt ist. Es wird vermutet, dass sie bereits über 100 Jahre alt ist, sie wurde aber von den vorherigen Besitzern der Destillerie übernommen und es existieren keine Papiere mehr. Gebrannt wird auf dieser Still auf 60 bis 75%. Auf der direkt daneben stehenden Portuguese Still wird ebenfalls produziert, hier allerdings nur mit einer Alkoholstärke von 40 bis 60%.

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Auffällig war auch, dass an jeder Ecke und Kante gewerkelt wurde. Es werden überall neue Regalsysteme für die Lagerung der Fässer geschaffen, die bis auf ganz wenige Ausnahmen ein Fassungsvermögen von 225 Litern haben. Dabei wird auf die unterschiedlichsten Fasstypen gesetzt, denn die Destillerie in der heutigen Form ist noch jung und experimentiert gerne. So kommen neben Madeira-, Sherry-, Rotwein-, Bourbon- oder torfigen und nicht torfigen Scotch-Fässern auch Exoten wie Bier-, Brandy- und Aquavitfässer zum Einsatz. Als besonderes Experiment steht im Lager auch noch ein großes Tongefäß, das zuvor Wein enthielt, in dem sich nun ebenfalls Rum befindet. Wie Mario zu berichten wusste, ist dieses Gefäß sogar besonders aktiv und der Angels Share ist hier außergewöhnlich hoch. Ich hoffe sehr darauf, dass ich irgendwann die Möglichkeit habe, einen Schluck aus diesem in Ton gereiften Rum probieren zu können.

Zwei Kurven weiter den Hügel wieder hinab befinden sich ein zweites kleines Lager sowie die Büroräume der Destillerie. Für die Zukunft ist aber geplant, etwas außerhalb ein weiteres Lager anzumieten, um die hinzukommenden Fässer unterbringen zu können. Aktuell lagern rund 850 bis 900 Fässer in den Räumlichkeiten, mit der Jahresproduktionsmenge von 100.000 Litern werden in 2020 in Summe dann rund 1.200 Fässer erreicht werden. Im kleinen Lager fand dann auch die Verkostung der verschiedenen Produkte statt. Der Rum macht dabei übrigens nur einen Teil aus, denn zusätzlich werden verschiedene Liköre und Poncha produziert, die vorrangig von Touristen gekauft werden. Schließlich muss auch regelmäßig Geld in die Kassen fließen. Auch ein Vermouth mit dem passenden Namen Moot wird produziert, der mir hervorragend geschmeckt hat. Grundsätzlich konzentrierten wir uns im Tasting aber auf den Rum, denn auch hier ist die Bandbreite schon groß genug.

Ich hatte mich darauf eingestellt, dass ich vielleicht drei, vier oder fünf verschiedene Varianten vom Rum probieren kann, letztlich waren es sogar zehn verschiedene Tropfen, die ich aber mit meiner Frau geteilt habe und die auch nicht immer in großen Mengen eingeschenkt waren. So konnten wir noch ohne Hilfestellung die Destillerie sogar über Stufen wieder verlassen. Wir starteten mit den jeweiligen Einsteigern beim weißen und braunen Rum, bevor wir die weiße Sonderedition 600 Anos ins Glas bekamen. Die Unterschiede liegen dabei vor allem in der unterschiedlichen Fermentationszeit, die zwischen drei Tagen und bis zu drei Wochen liegt. Auch geschmacklich sind die Unterschiede sehr groß. Anschließend widmeten wir uns den unterschiedlich alten braunen Rumvarianten ohne Altersangabe sowie einem Alter von drei und sechs Jahren. Das ist übrigens für Madeira eine Besonderheit, denn wenn man einen dort gereiften Rum mit Altersangabe abfüllen möchte, dann geht das immer nur in Schritten von drei Jahren. Dabei ist die Altersangabe immer ein echtes Alter, weil kein Solera-Verfahren verwendet wird.

An den drei Tropfen konnte man sehr schön die fortschreitende Reife erkennen, denn mit jedem Schritt kam mehr Tiefe und Aroma in den Rum. Das wirklich große Highlight für mich waren jedoch die Single Barrels, von denen ich einige schon in Hamburg probieren konnte. Hierfür wurde 25 Jahre alter Rum mit einem sechsjährigen verblendet und dann für weitere neun Monate in einem einzelnen Fass weitergereift. Für uns gab es jeweils ein Glas aus dem Aquavit-, Whisky-, Maldita Bier- und Lisbon Fortified Wine-Fass. Dabei konnte man sehr gut erkennen, dass die jeweiligen Finishes das Grundprofil des Rums zwar nicht verändert, aber immer wieder anders betont haben. Besonders gefallen haben mir dabei die Bier-Variante, die ich bereits zu Hause hatte, und der Fortified Wine, wovon ich eine Flasche mitgenommen habe. Gerne hätte ich noch weiter zugeschlagen, da aber eine Flasche rund zwei Kilo wiegt, musste ich mich aufgrund des auf 20 Kilo beschränkten Gewichts meines Koffers auf dem Rückflug zusammenreißen.

Bevor uns Mario wieder zurück zum Hafen fuhr, machten wir noch Station in der Pukiki Bar in Estreito de Calheta, über die wir ohne Hilfe wahrscheinlich nie im Leben gestolpert wären. Pukiki ist der Begriff für Portugiesen u.a. von Madeira und den Azoren, die nach Hawaii umgesiedelt sind. Im entsprechenden Look präsentieren sich auch Bar und Karte. Außerdem findet sich hier neben der größten Rumauswahl auf der Insel auch die erste Ukulele, die von einem Pukiki erfunden wurde. Neben extrem sympathischen Inhabern bietet die Pukiki Bar auch hervorragende Cocktails, die zum Teil mit William Hinton Rum gemixt werden. Leider ist auch die Pukiki Bar aktuell wegen der Corona-Krise geschlossen. Wenn man aber wieder nach Madeira reisen kann, empfehle ich dringend einen Besuch vor Ort!

Das war ein genussvoller Abschluss für einen wirklich tollen Tag auf Madeira. Mein ganz herzlicher Dank geht an Benjamin, der den Kontakt nach Madeira hergestellt hat. Eugenio konnte leider erst in der Pukiki Bar zu uns stoßen, weil er zuvor noch in der Destillerie beschäftigt war, aber auch mit ihm haben wir die Zeit genossen. Das größte Dankeschön geht aber natürlich an Mario, der sich extrem viel Zeit für uns genommen hat. Er hat uns nicht nur den ganzen Tag über die Insel gefahren und uns dabei einige Highlights gezeigt, er war auch ein hervorragender Gastgeber in der Destillerie. Wir haben die Zeit sehr genossen und schauen gerne wieder in der Destillerie und natürlich auch in der Pukiki Bar vorbei. Bei jedem Glas aus unserer von Madeira mitgebrachten Flasche William Hinton Rum werden wir an diesen besonderen Tag zurückdenken! 

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