Wir schreiben das Jahr 2020. Aufgrund der Corona-Situation sagt ganz Deutschland seine Messen ab. Ganz Deutschland? Nein, ein kleines gallisches Dorf darf seine Besucher trotzdem willkommen heißen. Das Köpenicker Whiskyfest kann unter strengen Hygieneregeln stattfinden, musste sich aber auf den letzten Drücker noch in Spezialitätenmarkt umbenennen, um wirklich seine Tore öffnen zu dürfen. Gegen Mittag machten meine Frau und ich uns auf den Weg von Hamburg nach Berlin, denn diese Messe in der Freiheit 15, auf der wir schon seit einigen Jahren Stammgäste sind, wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Wie schon in den letzten Jahren meinte es das Wetter am ersten Tag gut mit uns und versorgte uns vorwiegend mit Sonnenschein. Dementsprechend groß war auch meine Vorfreude auf meinen ersten Messebesuch seit Anfang Februar. Noch größer dürfte die Freude jedoch bei den Ausstellern gewesen sein, die nach so langer Zeit endlich wieder Ihre Abfüllungen einer größeren Whisky-Gemeinde präsentieren durften.
Als wir gegen 17:15 Uhr endlich am Messegelände ankamen, waren die langen Schlangen, die sich zu Beginn am Eingang gebildet hatten, bereits weg und wir konnten zügig zu den Ständen. Malte, den sicherlich einige von Malte Talks Malts kennen, hatte gemeinsam mit seiner Freundin bereits einen strategisch guten Tisch ergattert, von dem aus wir im Laufe des weiteren Abends unsere Whiskyabenteuer starten konnte. Mich verschlug es zunächst an den Stand vom Leipziger Whiskykontor, wo ich schon in den letzten Jahren einige tolle Whiskys probieren konnte, an die man sonst in Deutschland nicht problemlos herankommt. Schließlich gibt es dort immer wieder Abfüllungen für das Waldhaus am See in St. Moritz. Ich ließ mir diesmal den Edradour Straight From The Cask 10yo aus dem Oloroso Fass einschenken. Intensive Karamellnoten mischen sich hier mit etwas Honig, Schokolade und Kaffee. Trotz seiner 58,1% war das ein sehr schöner Einstieg in den Messetag. Meine Frau entschied sich für das Schwesterfass mit gleicher Reifung, das jedoch auf Trinkstärke mit 46% herunterverdünnt wurde. Dieses blieb im Vergleich eher blass und wirkte sehr unspektakulär.
Besonders gefreut habe ich mich, als ich gesehen habe, dass auch Langatun in diesem Jahr mit einem Stand vertreten ist. Dort ließ ich mir eine der neuen Abfüllungen mit Wein-Finish einfüllen, nämlich einen Tropfen aus dem Cruz de Alba-Fass. Die fruchtigen Noten des Fasses ergänzen sich hervorragend mit dem Whisky, der ohnehin weit oben auf meiner Favoritenliste steht. Am zweiten Tag müssen auf jeden Fall noch die beiden anderen neuen Finishes probiert werden! Besonders oft und lange habe ich mich am Stand von Cadenhead´s aufgehalten. Hier findet man nicht nur extrem sympathische Aussteller, sondern auch hervorragenden Whisky zu bezahlbaren Preisen. Mein Start mit einem 31 Jahre alten Port Dundas war zwar noch etwas unspektakulär, dafür gab es aber im Laufe des Abends mit einem elf Jahre alten Ord aus dem Sherry-Fass und großer Verwechslungsgefahr mit Cola sowie einem 25 Jahre alten Tamnavulin und einem elf Jahre alten Kracher aus dem Sherry Cask von Kilkerran noch echte Highlights ins Glas.
Fehlen darf natürlich auf einer Messe in Köpenick auch ein Tasting nicht. Zwar konnte in diesem Jahr der kleine und gemütliche Kutter aufgrund der engen Raumsituation nicht für Tastings genutzt werden, dafür wurde dann aber kurzerhand der Große Saal für Verkostungen freigehalten. Gemeinsam mit Olaf Fetting vom Whiskyhort führte der Whisky Druide Michel Reick uns durch fünf sehr unterschiedliche Abfüllungen im Rahmen einer Signatory Masterclass. Der Name Signatory stammt übrigens daher, dass man bei der ersten Abfüllung die Idee hatte, jede Flasche von einem Prominenten unterzeichnen zu lassen. Da aber die erste Abfüllung bereits ausverkauft war, bevor die erste Unterschrift auf eine Flasche gesetzt werden konnte, hat man die Idee relativ schnell wieder verworfen, so dass nur der Name bis heute geblieben ist. Zum Aufwärmen schenkte uns Olaf, der von Michel liebevoll als seine Stewardess für das Tasting bezeichnet wurde, einen neun Jahre alten Aultmore aus dem First Fill Bourbon Cask mit für die Unchill-Filtered Collection typischen 46% ein. Wirkte der Whisky zu Beginn noch etwas unspektakulär, konnte er mit der Zeit im Glas immer mehr gewinnen. Neben Zitrusfrüchten, Pfirischen und Äpfeln gab es hier viel Karamell und grasige Noten. Am Gaumen war der Whisky etwas weniger süß, die übrigen Aromen konnte er sich aber sehr schön erhalten.
Direkt im Anschluss folgte mit einem 23 Jahre alten Glenallachie schon ein echtes Highlight. Nach der Reifung im Bourbonfass wurde der Whisky mit fassstarken 56,2% abgefüllt und ist mit knapp EUR 120,- ausgesprochen fair bepreist. Das liegt laut Michel daran, dass man bei Signatory immer mal wieder die Hypes um bestimmte Destillerien verpennt. Mir soll es recht sein, denn hier bekommt man für sein Geld wirklich einiges geboten. Schon in der Nase wirkt der Whisky sehr cremig und überzeugt mit Vanille, Karamell und leichten Fruchtaromen. Am Gaumen geht der Whisky dann noch deutlicher in Richtung Creme Brullee mit leichter Pfeffernote. Dieser Whisky hätte sicherlich mehr Aufmerksamkeit verdient, als man ihm im Rahmen eines Tastings schenken kann. Nicht minder spannend und trotzdem ganz anders war der folgende Linkwood 13yo aus der typischen Blumenvase. Vermählt wurden hier zwei Hogsheads, die ein viermonatiges Finish im Sherry Fass erhielten und dabei sehr viel Farbe mitbekommen haben. Neben Karamell war für mich hier die Orange sehr prägend, aber auch Schokolade, dunkler Biscuit und Grapefruit schwangen mit. Am Gaumen ist der Tropfen ausgesprochen intensiv und bietet neben den genannten Aromen noch Rosinen, Pflaume und viel Würze. Offiziell wird dieser Whisky allerdings erst in zwei Wochen zu haben sein. Ich bin mir aber sicher, dass es nicht lange dauern wird, bis die insgesamt 720 Flaschen vergriffen sein werden.
Damit ging es dann zu den rauchigen Abfüllungen. Den Start machte ein zwölf Jahre alter Ledaig aus dem Refill Sherry Fass, das zunächst die typisch-dreckigen Aromen zeigt, die sich mit Karamell, viel Blaubeeren und Würze mischen. Auch dieser Whisky erschien mir so komplex, dass er eigentlich etwas mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Auch am Gaumen gab es die spannende Mischung aus Kuhstall, Werkstatt, Speck und Früchten. Für Michel gehört dieser Whisky sogar zu den besten, die aktuell auf dem Markt verfügbar sind. Das Finale bildete der neun Jahre alte Caol Ila, für den zwei Sherry Butts und drei Hogsheads vermählt wurden, um endlich einmal eine etwas größere Menge an Flaschen von einer Abfüllung zu haben. Neben überraschend viel Rauch und Iod gab es hier Zitrusnoten, rote Grütze und maritim-salzige Aromen. Am Gaumen war zum Glück dann aber die medizinische Note kaum noch wahrnehmbar, so dass der Whisky einen guten Abschluss eines tollen Tastings bot.
Ich bin mir sicher, dass auch der zweite Tag noch einige Highlights zu bieten hat. Weiterhin werde ich hartnäckig meine Maske beim Pendeln zwischen Ständen und Tisch tragen, auch wenn das in Berlin offenbar etwas weniger eng gesehen wird als bei uns in Hamburg. Auf jeden Fall werde ich Langatun noch einmal besuchen müssen, aber auch Robin von der Villa Konthor hat einige sehr spannende Abfüllungen auf seinem Tisch stehen. Der Whiskyhort lädt außerdem nachmittags zum Tasting mit seinen eigenen Single Casks. Wenn nun auch noch das Wetter einen zweiten Tag mitspielt, dann steht einem weiteren tollen Tag nichts mehr im Wege!
War ne schöne Messe und überraschend wenig los (relativ zu den letzten Jahren) - gut und entspannend für die Besucher - vielleicht weniger optimal für die Aussteller. Highlights und Neues gab es weniger im Bereich des Scotch - eher aus Wales, Schweiz und Deutschland kam neuer guter Stoff ins Glas.
AntwortenLöschenWar ne schöne Messe und überraschend wenig los (relativ zu den letzten Jahren) - gut und entspannend für die Besucher - vielleicht weniger optimal für die Aussteller. Highlights und Neues gab es weniger im Bereich des Scotch - eher aus Wales, Schweiz und Deutschland kam neuer guter Stoff ins Glas.
AntwortenLöschenJa, es war tatsächlich sehr entspannt, wobei ich mir schon an der einen oder anderen Stelle mehr Disziplin beim Abstand gewünscht hätte. Die Aussteller waren grundsätzlich ganz zufrieden, wie ich gehört habe. Trotz der geringeren Besucherzahl waren die Verkäufe bei Drams und Flaschen insgesamt wohl ganz gut.
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