Unser dritter Destillerie-Besuch während unseres Urlaubs in Dänemark führte meine Frau und mich ein gutes Stück in Richtung Ostsee. Von unserer Wohnung in Hvide Sande aus waren es rund 100km Fahrtweg, wobei uns ein weiteres Mal ein paar Kilometer Single Track Road auf dem letzten sehr ländlichen Wegabschnitt erwartete. Aber auch diesmal ist mir wieder aufgefallen, wie entspannt der Verkehr in Dänemark ist. Zwar darf man nicht besonders schnell fahren, aber vielleicht gerade dadurch läuft der Verkehr auf den Straßen extrem fließend und zumindest während unserer einen Woche in Dänemark machte sich das auch beim Tanken ganz deutlich bemerkbar. Ich konnte rund 30% mehr Wegstrecke mit einer Tankfüllung zurücklegen, als ich es in Deutschland geschafft hätte. Aber natürlich soll es hier vorrangig um Whisky und deren Herstellung gehen. Und auch bei Fary Lochan gab es wieder sehr spannende Einblicke. Dabei wird es familiär, nostalgisch und kurios.
Da wir nicht sicher waren, wie lang wir für den Weg zu Fary Lochan benötigen, hatten wir einen kleinen Puffer eingebaut, so dass wir eine knappe Viertelstunde zu früh an der Destillerie ankamen. Mehr oder weniger auf einem Hinterhof eines Bauernhofes parkten wir direkt vor dem kleinen Shop, der gleichzeitig Büro ist. Dort fanden wir gleich Thomas Smidt-Kjærby, mit dem wir im Vorwege einen Termin für unseren Besuch ausgemacht hatten. Da es bei Fary Lochan aber sehr familiär zugeht, liefen uns kurz darauf auch seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder über den Weg, die allesamt gemeinsam die Destillerie leiten. An vielen Stellen wird aber auch an Thomas Stiefvater Jens-Erik erinnert, der leider vor ein paar Jahren verstorben ist. Seine Idee war es auch, Brennnessel-Rauch für den rauchigen Whisky einzusetzen. Eine kuriose Idee, die bis heute fortgeführt wird, und der Destillerie ein Stück Einzigartigkeit eingebracht hat, auch wenn natürlich nur ein kleiner Teil der Produktion mit Brennnessel-Rauch hergestellt werden kann.Unsere Rundtour durch die Destillerie begannen wir dann zunächst an der Stelle, wo das Getreide angeliefert wird. Kurz davor machte uns Thomas aber schon auf die Brennnesseln aufmerksam, die rund um das gesamte Gelände wachsen. Aktuell waren es nicht zu viele, aber im Laufe des Jahres kommt hier schon eine große Menge zusammen. Ebenfalls auf dem Hof befindet sich dementsprechend ein kleiner Ofen, in dem die Brennnesseln verbrannt werden, um einen Teil der Gerste mit Brennnesselrauch zu bearbeiten. Diese müssen natürlich sehr frisch verarbeitet werden, denn schon nach kurzer Zeit verlieren sie viel Feuchtigkeit und verpuffen fast, wenn sie den Ofen erreichen. Eine gewisse Feuchtigkeit ist also erforderlich, um den gewünschten Effekt zu erzielen. So ist es nur logisch, dass jedes Jahr nur ein gewisser Teil der Produktion mit Brennnesselrauch versehen werden kann. Entsprechend gefragt sind die jeweiligen Abfüllungen, die zumeist bereits kurz nach Erscheinen ausverkauft sind. Wir hatten das Glück, am Ende der Tour eine dieser Abfüllungen probieren zu können. Man muss ganz klar sagen, dass diese Art von Rauch einen eigenen Charakter hat, aber durchaus sehr spannend ist. Für mich ist es jedenfalls absolut nachvollziehbar, warum diese Abfüllungen so viele Fans haben.
Anschließend hatten wir die Möglichkeit, uns die Fermentationstanks, das Materiallager sowie die neue und die alten Brennblasen anzusehen. Alle Brennblasen sind noch im Einsatz, wobei die neue eine größere Kopie der älteren Brennblase darstellt. Inwiefern das den Charakter des Whiskys verändert hat, vermochte Thomas gar nicht zu sagen, er geht aber davon aus, dass die Qualität eher gestiegen ist, da eben jetzt nur noch ein Rohbrand erforderlich ist, wo es früher drei Durchläufe erforderte. Das sorgt logischerweise für ein einheitlicheres Profil. Spannend fand ich in diesem Zusammenhang, dass vieles bei Fary Lochan unterirdisch passiert, denn hier verlaufen diverse Verbindungen, um Wege kurz halten zu können. Der Name Fary Lochan lässt sich übrigens auf den kleinen See zurückführen, also den "Lochan", der auf dem Gelände beheimatet ist. Gleichzeitig soll Fary an den Ortsnamen Farre erinnern. Thomas wollte damals einen eher schottisch klingenden Namen für die Destillerie haben, dabei aber gleichzeitig an die dänische Herkunft erinnern. Da inzwischen dänischer Whisky einen deutlich größeren Markt erobert hat, würde er sich heute vermutlich für einen anderen Namen entscheiden, ist aber mit seiner ursprünglichen Wahl noch immer glücklich.
Vom Raum, in dem die alten Brennblasen stehen, geht es in den Keller, wo an der Wand die bisherige Geschichte der Destillerie in einigen Bildern einer dänischen Künstlerin dargestellt ist. Von der Idee über die ersten Versuche mit Brennnesselrauch, die erste Abfüllung bis zur Erweiterung der Brennerei ist hier alles dargestellt. Traurig ist, dass nicht alle dargestellten Personen den Weg bis zum heutigen Zeitpunkt begleiten konnten. Trotzdem blickt man natürlich optimistisch in die Zukunft und setzt den eingeschlagenen Weg weiter fort. Im anschließenden alten Fasslager gibt es dann einen ersten Blick auf das, was uns in Zukunft noch erwarten kann. Vor einigen Jahren wurden drei wirklich alte Sherry-Fässer eingekauft, die nicht nur, wie es heute oftmals üblich ist, seasoned sind, sondern über Jahrzehnte Sherry enthielten. Diese schlummern hier genauso wie einige Fässer, die bereits von unabhängigen Abfüllern wie der SMWS oder Berry Bros & Rudd für unabhängige Abfüllungen ausgewählt wurden. Auch der Whisky Druid Michel Reick, der ja bereits einen Fary Lochan abgefüllt hat, hat sich hier ein tolles Fass für seinen nächsten Streich ausgewählt. Hier möchte ich aber noch nicht vorgreifen, denn ein wenig Geduld müssen wir dafür noch haben. Spannend ist aber das große Interesse von Berry Bros & Rudd, die am liebsten mehr als 10% der Jahresproduktion für ihre Einzelfassabfüllungen abnehmen würden.
Das führt uns dann auch schon direkt ins zweite und deutlich größere Fasslager, wo Thomas Bruder gerade dabei war, ein Sherryfass zu befüllen. Besorgniserregend viel New Make lief direkt wieder aus dem Fass heraus, unter dem bereits eine Wanne stand. Thomas beruhigte uns aber, indem er uns erklärte, dass dies bei Sherryfässern durchaus üblich sei. Das Holz muss einfach wieder mit Flüssigkeit versorgt werden, bevor es wieder richtig dicht wird. Aus diesem Raum wurden auch die bisherigen Live-Tastings ausgestrahlt, die es in Zukunft eventuell auch in englischer Sprache geben könnte. Bisher fanden diese in Dänisch statt, was es mir bei meinen zwei Teilnahmen fast unmöglich machte, dem Geschehen zu folgen. Das war aber gar nicht schlimm, denn so konnte ich mich umso mehr auf den spannenden Whisky konzentrieren. Dass dieses Lager schon bald aus allen Nähten platzen könnte war offensichtlich. Das bedeutet auch, dass der alte und nostalgische Borgward mit Fary Lochan-Logo wohl bald einen neuen Besitzer haben dürfte. Der Oldtimer sieht zwar immer noch hervorragend aus, aber er wird kaum genutzt. Gleichzeitig ist die Gefahr, dass irgendwann eines der Fässer auf das Fahrzeug stürzen könnte, zu groß, da die Fässer einfach immer mehr Raum einnehmen. Der dänische Borgward-Club hat bereits Interesse signalisiert, aber wer kurzentschlossen zuschlagen möchte, kann sicherlich noch Kontakt mit Thomas aufnehmen. Mit max. 60 km/h könnte man damit den Weg zurück nach Deutschland antreten. Ich war kurz in Versuchung, aber ich könnte dem Wagen vermutlich leider kein würdiges Zuhause bieten.
Danach ging es weiter in den neugebauten Veranstaltungsraum, in dem inzwischen auch große Gruppen für Tastings und Veranstaltungen empfangen werden können. Tatsächlich gibt es von Zeit zu Zeit auch immer mal wieder Bustouren, die hier Station machen. Trotzdem bleibt die Menge der Gäste, die über das Jahr den Weg zu Fary Lochan finden, noch überschaubar. Anschließend ging es dann zurück in den Shop, wo wir noch einige vergriffene Abfüllungen probieren konnten, wo aber auch die beiden neuen Distillery Editions mit Finish im Moscatel bzw. Sauternes Fass in unser Glas flossen. Ehrlicherweise blieb das Probieren jedoch eher meiner Frau überlassen, denn ich musste uns ja noch sicher zurück nach Hvide Sande zu unserer Ferienwohnung bringen. Da der Shop fast ausverkauft war, hatte Thomas einige Flaschen aus seiner eisernen Reserve von regelmäßig 22 Flaschen pro Abfüllung für den Verkauf freigegeben. Wir entschieden uns trotzdem für die Distillery Editions, weil meiner Frau diese am besten gefielen. Die Korken werden sicherlich in Kürze zu Hause aus den Flaschen fliegen, so dass ich mir dann auch ein genaues Bild machen kann.
Nebenbei philosophierten wir noch ein wenig über den HSV, den Lieblingsverein von Thomas in Deutschland, den dänischen Fußball, den Europapokalsieg von Eintracht Frankfurt und die damit verbundene dänische Unterstützung durch Jesper Lindström. Wenn es dann um dänischen Fußball geht, dann darf natürlich auch ein kurzer Blick auf Lord Niklas Bendtner nicht fehlen, der uns allen mit eingeschränkter Bekleidung am Pool und gleichzeitig sehr üppigen Verträgen in Erinnerung geblieben ist. Neben Fußball spielt aber aktuell auch der Radsport eine große Rolle in Dänemark, denn die Tour de France startet in diesem Jahr bei unseren nördlichen Nachbarn. Dementsprechend hat die dänische Brauerei Bøgedal ein Dreierset mit spannenden Stouts auf den Markt gebracht, von denen zwei in ehemaligen Fary Lochan Fässern reifen durften. Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, so dass ein solches Set ebenfalls in meinem Einkaufskorb landete. Abschließend bleibt mir zu sagen, dass Thomas einfach ein sehr sympathischer Typ ist, und mir und meiner Frau die Zeit bei Fary Lochan enorm viel Spaß gemacht hat. Vielen Dank also, lieber Thomas, dass Du Dir so viel Zeit für uns genommen hast. Schließlich wird toller Whisky noch besser, wenn man ihn gemeinsam mit sympathischen Menschen genießen kann. Und das war vor Ort bei Fary Lochan definitiv der Fall!
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