Sonntag, 19. Juni 2022

Besuch bei der Thy Destillerie (Dänemark)

Im Urlaub mal eben runde 130km zu einer nahegelegenen Destillerie fahren, um an einer Führung teilzunehmen? Gar kein Problem! Nach deutschem Gefühl kann das ja nicht viel länger als eine gute Stunde dauern. In Dänemark dauert so etwas allerdings fast zwei Stunden, da man ausschließlich auf Landstraßen unterwegs ist, für die letzten paar Kilometer sogar auf eine Single Track Road wechseln muss. Trotzdem fühlt sich die Fahrt deutlich entspannter an als in Deutschland und macht gleichzeitig mit Blick auf die tolle Landschaft richtig viel Spaß. Ich bereue also absolut nicht, den Ausflug von unserer Ferienwohnung in Hvide Sande aus in Richtung Norden unternommen zu haben, um an der mittwöchlichen Führung in englischer Sprache teilnehmen zu können, zu der meine Frau und ich von Thy Whisky eingeladen waren. Hier wird dänischer Single Estate Whisky in Bio-Qualität hergestellt, bei dem es nicht nur vom Malz bis zur Fasslagerung reicht, sondern von der Kuh bis zum Bottling. Eines kann ich schon vorwegnehmen: Der Weg zur Destillerie lohnt sich absolut, denn die Führung gehört zu den besten regulären Führungen, die ich bisher erleben durfte!


Unser Navi führte uns von Holstebro aus, wo wir noch einen kurzen Zwischenstopp eingeplant hatten, sicher in Richtung Norden entlang einer wirklich schönen Landschaft. Je näher wir ans Ziel kamen, desto enger wurden die Straßen, bevor wir dann für die letzten paar Kilometer auf eine schmale Straße wechselten, bei der meine Frau schon sehr hoffte, dass es keinen Gegenverkehr geben würde. Tatsächlich passen aber mit verringerter Geschwindigkeit und etwas Rücksicht auch hier zwei Autos aneinander vorbei, wie die Erfahrung gezeigt hat. Plötzlich tauchte dann der Gyrup Hof auf, der nur durch einige Fässer, die rund um das Hauptgebäude platziert waren, als Destillerie erkennbar war. Wenn man das Gebäude betritt, steht man dann direkt mitten im Shop, an den auch der Tastingraum angeschlossen ist. Hier wartete bereit Mathias auf uns, der an diesem Tag die Tour durchführen sollte. Wenn er nicht gerade Touristen durch die Anlagen schleust, dann ist er unter anderem für das Fassmanagement und das Blending der Abfüllungen zuständig. Dass er aber sowohl Führungen wie auch Fassmanagement gut im Griff hat, sollten die folgenden zwei Stunden zeigen.

Gemeinsam mit vierzehn anderen Besuchern lotste uns Mathias über das Gelände und durch die verschiedenen Produktionsanlagen und -schritte. Der erste Halt war tatsächlich der Kuhstall, denn auf dieser Farm wird wirklich alles eigenständig gemacht. Das bedeutet auch, dass man eine Monokultur vermeiden muss und so zeitweise Gras auf den Ackern pflanzt und dort Kühe weiden lässt. Da alles bei Thy Bio-Qualität hat, wird natürlich auch alles verwertet. So wird die Milch der Kühe nach der Aufbereitung in einem Bio-Laden in Kopenhagen verkauft. Außerdem wird die Milch gemeinsam mit der von einigen anderen Höfen zu einem sehr leckeren Käse verarbeitet. Auch das Fleisch der Kühe wird selbstverständlich verwertet. So finden sich im Destillerie-Shop nicht nur Whisky und Getreide, sondern auch Käse, Schinken und Hackfleisch. Käse und Schinken wurden auch zum späteren Tasting gereicht und konnten meine Frau und mich absolut überzeugen!


Viel Wert legt man bei Thy auch darauf, dass kein hochgezüchtetes Standard-Getreide verwendet wird. Vielmehr hat man über die Jahre alte Getreide-Sorten wieder aufleben lassen, was auch bedeutet, dass nie die gesamte Ernte verwendet wird, da auch ausreichend Getreide für die nächste Aussaat vorhanden sein muss. Gemälzt wird das Getreide dann bei einer befreundeten Mälzerei, die Trocknung erfolgt dann aber wieder in den eigenen Kilns, allerdings nur, wenn kein Rauch zum Einsatz kommen soll. Sehr gerne würde man auch das rauchige Malz, für das Buchenrauch zum Einsatz kommt, auf der Farm herstellen, aber es ist einfach zu schwer, den Rauch wieder aus den Anlagen zu bekommen. Das wird also nur dann möglich sein, wenn eine weitere Anlage angeschafft wird. Auf der Tour hatten wir an dieser Stelle aber die Möglichkeit, die verschiedenen Röstgrade bei rauchigem und nicht rauchigem Malz zu probieren. Diese Chance hatte ich so ausführlich noch nicht und ich fand es sehr spannend, das Getreide mit aufsteigendem Röst- und Rauchgrad zu probieren. Gerade das Malz aus dem Buchenrauch roch wie geräucherter Schinken und schmeckte sehr gut. Wer davon nicht genug bekommen kann, für den stehen später auch einige Flaschen mit den verschiedenen Getreidearten im Shop, die man hier erwerben kann.

Auch an der Brennblase blieb es spannend, denn wir konnten zunächst die sehr süße Maische probieren, bevor die Hefe zugegeben wird und sich Alkohol gebildet hat. Natürlich gab es dann aber auch das fertige Bier, das einen Alkoholgehalt von ca. 8 bis 9 Prozent hat. An Vor- und Nachlauf aus dem anschließenden Brennprozess konnten wir aus gutem Grund nur schnuppern, aber auch das fertige Produkt, das mit 82% aus der Brennblase fließt, konnten wir in voller Stärke und zwischen den Händen verrieben schnuppern und in der auf 40% herunterverdünnten Variante probieren. Das macht auf jeden Fall schon große Lust auf das fertige Produkt. Bis das soweit ist, dauert es allerdings noch etwas, denn nun muss der Spirit zunächst einmal ins Fass und für mindestens drei Jahre ruhen. Hierfür wurde im vergangenen Jahr ein neues Warehouse gebaut, das aktuell noch eine ganze Menge Platz bietet. Gleichzeitig ist aber auf dem Gelände noch ausreichend Platz für weitere Warehouses, die in Zukunft hinzukommen sollen. Da aktuell nur 20% des erzeugtes Getreides für die eigene Whiskyproduktion verwendet wird, könnte man hier problemlos skalieren. Die übrigen 80% gehen aktuell an andere Brennereien, Brauereien und Bäckereien.


Im Fasslager, das übrigens zu zwei Seiten Gitterwände hat, um möglichst viel Wettereinfluss bei der Reifung zu haben, sahen wir zahlreiche bereits befüllte Fässer, aber auch einige, die noch aufs Befüllen warten. Außerdem gab es einige Container, die Sherry enthalten, denn jedes angelieferte Sherry-Fass hat noch einen kleinen Rest PX- oder Oloroso-Sherry, damit das Fass auf dem Weg nicht austrocknet. Den würzig-süßen PX-Sherry aus diesen Fässern durften wir probieren, was uns als Besucher ein weiteres Mal ganz nah an den Prozess herangebracht hat. Am 19. Juni 2022 wird übrigens das 1.000. Fass befüllt. Hierfür wird ein Fest ausgerichtet, bei dem alle Besucher herzlich willkommen sind. Der Clou wird sein, dass jeder Besucher eine Flasche New Make in die Hand bekommt und diese ins Fass füllen darf. So wird Fass No. 1.000 zu einem echten Gemeinschaftsprodukt und vor allem -erlebnis! Geichzeitig werden an diesem Tag zwei neue Abfüllungen veröffentlicht, die ich in Kürze an dieser Stelle noch genauer vorstellen werde.

Anschließend machten wir einen kurzen Stopp an der Bottling-Line, an der bei Abfüllung neuer Flaschen in der Regel fünf Leute stehen, um rund 1.000 Flaschen an einem Tag abzufüllen. Laut Mathias wird dabei eine ganze Menge Milch konsumiert. Ich bin mir relativ sicher, dass er in diesen Satz ein Codewort eingebaut hat... Danach nahmen wir aber an den Tastingtischen Platz, wo bereits kleine Schälchen mit den bereits erwähnten Leckereien Käse und Schinken standen, außerdem hatte jeder drei Tastinggläser und ein Wasserglas. Ich habe das Wasserglas tatsächlich für Wasser genutzt, meine Frau konnte es aber für die ebenfalls auf dem Tisch verfügbaren Craft Biere nutzen. Das fand ich ziemlich spannend, denn es handelte sich um ein leckeres Stout und ein mildes Blond Ale vom Thisted Bryghus sowie ein trübes Spelt IPA von Gamma, die allesamt mit Getreide vom Gyrup Hof gebraut wurden. Im Shop gab es unter anderem auch noch zwei schwere Imperial Stouts, so dass ich mich nicht nur mit Whisky eindecken musste, denn ich finde auch Craft Beer wahnsinnig spannend.

Der Star sollte aber natürlich der Whisky sein und auch der konnte absolut überzeugen. Auch hier war ich natürlich beim Probieren als Fahrer stark eingeschränkt, aber alle drei Abfüllungen hatten absolut ihren Reiz. Wir begannen mit dem Thy No. 15 Fjordboen, der in Bourbon- und Oloroso-Fässern reift und aus Pale, Vienna und Munich Malt gebrannt wurde. Auf diesen fruchtig-süßen Tropfen folgte der würzige Spelt-Rye aus frischer amerikanischer Eiche, für den sowohl gemälztes wie auch ungemälztes Getreide zum Einsatz kam. Das Finale bildete der No. 17 Stovt, wobei der Name sowohl an Stout erinnern soll, denn nach Reifung in Bourbon- und Oloroso-Fass folgte ein Finish im Stout-Fass. Gleichzeitig steht der Name aber auch für den Stolz, den man mit der Abfüllung verbindet. Interessant fand ich auch, dass für diesen Whisky dunkel geröstetes Malz verwendet wurde, das auch bei der Herstellung von Stout zum Einsatz kommt. Obwohl ich nur einen Probierschluck nehmen konnte, hat mich dieser Whisky so sehr überzeugt, dass eine Flasche den Weg mit mir nach Hause angetreten hat.


Im Anschluss an die Führung und das Tasting gab es noch ein paar Gespräche mit anderen Teilnehmern. Danach saßen wir noch kurz mit Mathias zusammen und lernten einige der Distillery Cats sowie den Hofhund, der besonders anhänglich war, kennen. Der Ausflug in den Norden hat sich für uns absolut gelohnt, denn die Führung und das ganze Drumherum haben wirklich extrem viel Spaß gemacht. Ich muss gestehen, dass ich Thy vorher zwar vom Namen her kannte, aber bis dahin noch nichts aus dieser Brennerei probiert hatte. Das wird sich in Zukunft ändern, denn Thy wird sicherlich häufiger bei mir ins Glas kommen. Mir gefällt außerdem der sehr nachhaltige Ansatz der Brennerei. Wenn ich mal wieder in der Gegend bin, werde ich definitiv wieder vorbeischauen, der Whisky wird mich aber auch in der Zwischenzeit weiter begleiten. Mein ganz herzlicher Dank geht noch einmal an Jakob, einen der Inhaber, über den überhaupt der Besuch erst zu Stande gekommen ist, und an Mathias, der wirklich eine tolle Führung geboten hat. Ihr macht da wirklich einen ganz tollen Job!

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