Lange Zeit war die Anzahl der Destillerien in den Lowlands sehr überschaubar. Aktiv waren bis vor einigen Jahren - klammert man die Grain-Produzenten aus - nur noch Auchentoshan und Glenkinchie, inzwischen hat der weiter anhaltende Whisky-Boom aber auch andere dazu inspiriert, sich zur Whisky-Produktion in den Lowlands niederzulassen. Der Besitzer der Destillerien Bowmore auf Islay, Glen Garioch in den Highlands und Auchentoshan in den Lowlands - mit anderen Worten Beam Suntory - kam auf die Idee, die lange Tradition des Whiskys in Glasgow wieder aufleben zu lassen. Noch vor 120 Jahren gab es dort unzählige kleine und große Destillerien, zudem wurden Blended Whiskys wie Teachers hier groß, bekannt und beliebt. Mit der Clydeside Distillery eröffnete im November 2017 die erste Destillerie seit vielen Jahren ihre Pforten in Glasgow.
Zu Beginn der Führung sahen wir uns einen kurzen Film an, der uns die Situation im Hafen von Glasgow vor rund 120 Jahre zeigte. Whisky gehörte damals in vielerlei Hinsicht zum Leben der Menschen, sei es im Rahmen der Produktion, des Handels im Hafen, des Verschiffens oder einfach in Form des Konsums. Dieses Thema wurde in den nächsten beiden Räumen, die man ohne Guide durchläuft und die einen Museumscharakter haben, aufgegriffen, wobei bis zum Punkt der Eröffnung der Clydeside Distillery Ende 2017 hingeleitet wurde. Dabei lernten wir auch, dass das verwendete Wasser - genau wie bei Auchentoshan - aus dem rund 40 Meilen entfernten Loch Katrine stammt.
Anschließend trat Bridgeen wieder auf den Plan und zeigte uns zunächst die Mühle - die Gerste wird bereits gemälzt angeliefert - in einem sehr kleinen Raum, in dem unsere Gruppe kaum Platz hatte. Hier konnten wir auch noch einmal den Unterschied zwischen getorfter und ungetorfter Gerste erschnuppern, bevor wir zum sehr steril wirkenden Raum mit Mash Tun und Washbacks gingen. Hier wurde besonders deutlich, dass es sich bei der Clydeside Distillery um eine sehr neue und moderne Destillerie handelt. Dabei war es jedoch sehr schön zu sehen, dass sie trotzdem Charme versprüht und die Leidenschaft für den Whisky in der gesamten Anlage spürbar war. Besonders Bridgeen vermittelte dieses Gefühl sehr authentisch.
Nachdem bereits bei den Washbacks das Zitrusaroma des späteren Spirits erkennbar war, durften wir beim Spirit Safe und den beiden Stills am Low Wine, dem Foreshot und dem noch nicht auf 63,5% verdünnten New Make riechen. Auch der Low Wine hatte bereits eine angenehme Fruchtigkeit, im New Make, den wir später an der Bar auch noch probieren durften, ist eine ausgeprägte Vanille-Note wahrnehmbar, die mit der Zeit Platz für Zitrone, Apfel und exotische Fruchtnoten macht. Wenn das Fassmanagement stimmt, kann man hier mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen tollen Whisky erwarten. Genutzt werden zu rund 80% Bourbonfässer, aber auch einige Sherryfässer kommen zum Einsatz. Auch die Nutzung einiger anderer Fässer ist geplant, hierzu wollte Bridgeen jedoch noch nicht ins Detail gehen.
Da natürlich noch kein eigener Whisky vorhanden ist, wird für das Tasting auf drei zehn Jahre alte Whiskys mit jeweils 40% zurückgegriffen, die den Charakter von Lowlands, Highlands und Islay zeigen sollen. Dabei wurde nicht ausdrücklich gesagt, dass es sich um Whiskys aus den drei im ersten Absatz genannten Destillerien handelt, die Vermutung liegt jedoch sehr, sehr nahe. Da auch bei Clydeside vorrangig auf Bourbonfässer gesetzt wird, wurden auch für das Tasting Whiskys aus eben jenen Fässern ausgewählt. Alle drei Abfüllungen sind übrigens im Shop für knappe GBP 35,- mit einem personalisiertem Etikett zu haben. Geschmeckt haben mir grundsätzlich alle drei Abfüllungen. Der Lowlander ist rund und fruchtig, bringt dabei aber eine überraschende Würze mit. Der Highlander hat neben den Früchten noch einige Kräuteraromen, während der Islay-Malt neben Frucht auch etwas Pfeffer und natürlich dezenten Rauch mitbringt.
Ich freue mich sehr darauf, den Werdegang dieser jungen Destillerie weiterhin zu verfolgen. Den ersten "echten" Whisky möchte ich auf jeden Fall probieren, ob dieser aber im Jahr 2020, 2021 oder noch später kommt, darauf wollte man sich heute noch nicht festlegen. Ich bin mir aber sicher, dass ich bei meinem nächsten Trip nach Glasgow erneut einen Blick in die Destillerie werfen werde. Das schwarz-rote Logo wird mich ebenso wie der ausgezeichnete New Make als Grundlage für einen hoffentlich genauso überzeugenden Whisky anziehen.
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