Ich bin nicht der größte Fan von Online-Tastings, aber wenn man in den letzten Monaten ein Tasting besuchen wollte, dann kam man um Online-Veranstaltungen eigentlich kaum herum. Zwar laufen verschiedene Veranstaltungen so langsam auch auf herkömmlichem Wege wieder an, trotzdem wird uns sicherlich die Online-Variante noch eine ganze Zeit begleiten. Ein besonders spannendes Tasting haben vor Kurzem die Jungs von Simple Sample angekündigt. Gemeinsam mit Marc Fiederer, Kopf der Facebook-Gruppe "Alles rund um Whisk-e-y", sollten fünf Abfüllungen der Brigantia Bodensee Whisky Destillerie vorgestellt werden. Da ich die Destillerie bisher noch gar nicht kannte, habe ich das Tasting-Set natürlich ohne zu zögern bestellt und mit großer Vorfreude auf das Tasting, das man über Facebook oder YouTube verfolgen konnte, hingefiebert.
Der erste Whisky des Abends war gleich eine echte Besonderheit, denn nach vier Jahren im Warehouse wurden zwei Ex-Bourbon Fässer und zwei Fässer aus amerikanischer Weißeiche auf die MS Schwaben gebracht, ein Schiff, das auf dem Bodensee verkehrt. Hier blieben die Fässer ein Jahr lang täglich den Bewegungen auf dem Wasser ausgesetzt. Herausgekommen ist ein Whisky, der in der Nase eine sommerliche Mischung aus Orangen, Zitronen, süßen und sauren Äpfeln, Honig und etwas Eichenwürze zu bieten hat. Leider wird die Eiche dann am Gaumen sehr dominant mit einer Tendenz zur Bitterkeit. Als Gegenpol gab es eine ausgeprägte Süße und im Abgang sogar noch etwas Kakao. Ebenfalls fünf Jahre reifen durfte der zweite Tropfen des Abends. Nach einer ersten Reifung in amerikanischer Eiche zog der Whisky in karibische Rumfässer um. Das sorgte in der Nase für Ananas, Kokos und Honigmelone, am Gaumen kamen dann zu hellen Früchten und Honig aber wieder sehr ausgeprägte Eichenaromen hinzu. Mir persönlich war der Whisky etwas zu unspektakulär und am Gaumen letztlich auch zu sehr von der Eiche geprägt.
Wie übrigens bis auf den Classic von Brigantia sind alle bisher erschienenen Abfüllungen limitiert. Das gilt somit natürlich auch für den folgenden Sherry Cask Finish. Welcher Sherry vor dem Whisky im Fass lag, wird zwar nicht verraten, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es sich aufgrund des Aromenprofils um Oloroso gehandelt haben dürfte. Die Nase bietet eine Mischung aus dunklen Früchten, Mandeln, Schokolade, Leder sowie einer leichten Säure im Hintergrund. Am Gaumen stehen dann Haselnuss und eine angenehme Säure im Vordergrund, bevor Würze, Rosinen und viel Orange mit ins Spiel kommen. Dieser Whisky sagt mir sehr zu! Ein ähnliches Fazit kann man auch zum folgenden Brandy Single Cask ziehen, obwohl das Geschmacksprofil natürlich ganz anders ist. Bei dieser Vollreifung im Brandy Fass fühle ich mich zuerst an süßen Vanillepudding erinnert, bevor Bananen, Mangos, gelbe Pflaumen und Rosinen zum Vorschein kommen. Beim ersten Schluck kann man zuerst Honig erkennen, dann kommen Zitrusfrüchte, Rosinen, eine leichte Würze sowie etwas Leder und Kaffee hinzu. Diesmal gibt es wieder etwas Eiche, die aber nicht so ausgeprägt ist wie bei den beiden ersten Abfüllungen und sich mit der Zeit eher in Richtung Kakao entwickelt.
Für die letzte Abfüllung des Abends gab es mit dem Whisky Schwaben, der vorrangig von Instagram bekannt ist, einen zweiten Marc im Stream. Gemeinsam wurde dann das Islay Cask Finish vorgestellt, für das ein Whisky verwendet wurde, der zuvor im Süßweinfass lagerte. Mich hätte sehr interessiert, welcher Süßwein zuvor im Fass war, leider wurde das aber nicht verraten. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass es sich um einen deutschen Süßwein handelt. Ein anderes Geheimnis wurde jedoch gelüftet, nämlich dass das Islay Cask von Laphroaig stammt, was aber trotzdem - zum Glück - nicht für einen medizinischen Einschlag im Whisky gesorgt hat. Vor allem helle Früchte und viel Süße sind in der Nase zu erkennen, der Rauch bleibt zunächst im Hintergrund. Geschmacklich macht er sich dann aber doch überraschend stark deutlich, wird dabei aber von einem kalten Lagerfeuer, Süße, etwas Eichenwürze und Kakao begleitet.
Mir hat das Tasting insgesamt sehr gut gefallen. Glücklicherweise war ein Vertreter der Destillerie im Chat dabei, um auch die eine oder andere Hintergrundinformation zu liefern. Nach den ersten beiden Abfüllungen hatte ich ein wenig die Befürchtung, dass sich die ausgeprägte Eichennote zu sehr durch die gesamte Range zieht, was sich aber zum Glück nicht bewahrheitet hat. Ich glaube eher, dass mir persönlich der Einfluss aus den Fässern aus (vermutlich frischer) amerikanischer Weißeiche nicht liegt. Dafür haben mir dann die anderen drei Abfüllungen umso mehr zugesagt, vor allem das Sherry Finish und die Vollreifung im Brandy Cask haben mir richtig gut gefallen. Meiner Meinung nach lohnt es sich definitiv, diese Destillerie weiterhin im Auge zu behalten. Vielen Dank an Marc sowie Olli und Steffen von Simple Sample für diese tolle Möglichkeit, eine mir bis dahin noch unbekannte Destillerie kennenzulernen.
Übersicht der verkosteten Whiskys:
Brigantia Schwaben Whisky, Single Malt Whisky, Ex-Bourbon und Amerikanische Weißeiche, 5yo, 45%, EUR 80,-
Brigantia Rum Cask Finish, Single Malt Whisky, Rum Finish, 5yo, 46%, EUR 70,-
Brigantia Sherry Cask Finish, Single Malt Whisky, Sherry Finish, 5yo, 46%, EUR 70,-
Brigantia Brandy Single Cask, Single Malt Whisky, Brandy Cask 633, 5yo, 52,1%, EUR 70,-
Brigantia Islay Cask Finish, Single Malt Whisky, Islay Finish, 5yo, 46%, EUR 70,-
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