Sonntag, 27. September 2020

Besuch bei St. Kilian Distillers in Rüdenau

In Rüdenau bei Miltenberg am Main liegt unweit vom Drei-Länder-Eck zwischen Hessen, Baden-Württemberg und Bayern mit St. Kilian die deutsche Destillerie mit dem derzeit größten Produktionsvolumen im Single Malt Bereich. Nachdem ich leider im vergangenen Januar nicht zum dortigen Blogger- und Vloggertreffen fahren konnte, hatte ich nun endlich im Rahmen meiner Rundfahrt durch Deutschland gemeinsam mit meiner Frau die Gelegenheit, dort vorbeizuschauen und mir die Produktion, die kleineren Fasslager und den Shop anzusehen. Master Distiller Mario Rudolf nahm sich sehr viel Zeit für uns und führte uns durch die Anlagen. Natürlich mussten wir am Ende nicht durstig den Weg zurück zum Hotel antreten, denn wir durften auch noch den einen oder anderen Tropfen aus dem aktuellen Sortiment probieren.


Das Gelände, auf dem heute die Destillerie steht, beherbergte früher eine Textilfabrik, die aber schon vor rund zehn Jahren bereits längere Zeit stillgelegt war, als ein Hilferuf aus Rüdenau kam. Im Heimatdorf von Andreas Thümmler sollte mit Hilfe ausländischer Investoren eine Müllverbrennungsanlage entstehen. Da die Bewohner des Ortes aber befürchteten, dass sich dann niemand mehr in den ohnehin schon etwas abgelegenen Ort verirren würde, versuchten sie den Bau der Anlage zu verhindern. Andreas kaufte also das Grundstück, ohne jedoch eine konkrete Idee zu haben, was er damit anfangen sollte. Zunächst wurde die Fabrik an Maler und andere Handwerker vermietet, bevor auf der Interwhisky in Frankfurt im gemeinsamen Gespräch mit David Hynes, dem ehemaligen Master Distiller von Cooleys, die Idee entstand, eine Destillerie nach schottischem Vorbild in Deutschland zu bauen, die aber trotzdem einen eigenen Charakter hat. So wurde das Equipment, das unter anderem aus zwei Brennblasen von Forsythe besteht, bestellt und damit eine hochmoderne, aber trotzdem zum guten Teil manuell steuerbare Brennerei aufgebaut. Trotz der vielen Technik bewahrt sich die Destillerie aber einen Teil Romantik, denn Mashtun und Washbacks bestehen ganz klassisch aus Pinienholz.

Was zumindest aktuell noch nicht vor Ort gemacht wird, ist das Mälzen. Ungetorftes Malz wird aus Deutschland zugekauft, das getorfte Malz mit 54ppm stammt aus Schottland. Für einige besondere Durchläufe wird auch Malz mit 91ppm beschafft, mehr kann der Zulieferer aktuell nicht liefern und mehr möchte man auch gar nicht verarbeiten. Das Mahlen und alle weiteren Verarbeitungsschritte erfolgen dann aber vor Ort. Pro Woche werden in vier Washbacks sechs Befüllungen vorgenommen. Während man montags und freitags zwei Durchläufe hat, sind es dienstags und donnerstags jeweils einer, mittwochs ist ausschließlich Abfülltag. In den Washbacks, die jeweils 10.800 Liter fassen, verbleibt die Maische für mindestens 65 Stunden, übers Wochenende manchmal auch bis zu 95 Stunden. Besonders ist dabei, dass sich in den Washbacks Kühlplatten befinden, da sich die Hefe bei einer bestimmten Temperatur am wohlsten fühlt und so das beste Ergebnis erreicht werden kann. Die Brennblase fasst dann etwa die Hälfte einer Washback, so dass pro Washback zwei Brennvorgänge erforderlich sind. Vor dem Brennen beträgt der Alkoholgehalt ca. 8%, nach zwei Brennvorgängen wird mit 63,5% in rund 40 Fässer pro Woche gefüllt.

Damit ist der Weg zum Fassmanagement nicht mehr lang. Vorrangig werden bei St. Kilian ehemalige Bourbon Fässer verwendet, die unter anderem von Jack Daniel´s und Woodford stammen, aber insgesamt sind aktuell rund 210 verschiedene Fasstypen mit verschiedenen Füllmengen und Vorbelegungen im Fasslager zu finden. Darunter befinden sich rare Fässer wie ein 104 Jahre altes Sherry Fass, das zuvor in Spanien für das Solera Verfahren eingesetzt wurde. Auch verschiedene (Süß-)Weinfässer, 50l-Fässer von Garrison, Rumfässer oder einige Mizunara Fässer sind im Einsatz, etwas exotischer wird es dann mit ehemaligen Whiskyfässern von Störtebeker, Kirschwein oder sogar Jägermeister Fässern. Neben dem Ziel, so irgendwann auch dauerhafte Standards etablieren zu können, hat man auf diese Weise immer wieder spannende Fässer für Einzelfassabfüllungen oder Distillery Only Editionen. Das Experimentieren soll schließlich auch mit einem immer größer werdenden Bekanntheitsgrad nicht eingestellt werden. Es ist übrigens auch möglich, sich sein eigenes Fass zu kaufen und mit dem gewünschten New Make - torfig oder ungetorft - befüllen zu lassen.

Natürlich gibt das alles nur einen kleinen Teil dessen wider, was meine Frau und ich an diesem Nachmittag gemeinsam mit Mario Rudolf gesehen haben. Dass wir sehr gezielt unsere Rundreise durch Deutschland so geplant haben, dass wir St. Kilian besuchen konnten, haben wir aber absolut nicht bereut. Da wir ein Hotel in unmittelbarer Nähe gebucht hatten, konnten wir im Anschluss an die Führung in der Bar im Shop noch einige Abfüllungen probieren. Den Auftakt machte der Five, der zwar schon einige Zeit auf dem Markt ist, aber bisher noch nicht in meinem Glas landete. Trotz der Verwendung von Virgin Oak Fässern bleibt die Eiche gut eingebunden im Hintergrund, dafür stehen eine schöne Süße und eine angenehme Würze stärker im Vordergrund. Nachdem wir außerdem am Vortag bei der Brennerei Faust im Nachbarort Miltenberg waren, musste ich natürlich auch den Whisky mit Reifung im Eisbock Fass von Faust probieren, der aktuell als Distillery Only angeboten wird. Wer kein Bier mag, wird auch diesen Whisky nicht mögen, da er u.a. auch Hopfen und recht herbe Noten bietet, mir hat er aber gut gefallen.

Ebenfalls als Distillery Only ist aktuell eine Chardonnay Reifung zu haben. Wie bei den meisten Abfüllungen gibt es hier übrigens kein Finish, denn der Fokus soll grundsätzlich darauf liegen, einen Whisky durchgängig in einem Fass zu reifen. Der Chardonnay bot eine angenehme Süße mit tollen Weinaromen, die sehr gut zum Whisky passen. Als Warehouse Tasting Edition gab es im Anschluss einen Tropfen aus dem PX Fass, der genau drei Jahre und einen Tag reifen durfte, weil das St. Kilian Team es einfach nicht erwarten konnte, diesen tollen Tropfen abfüllen zu können, denn er hatte schon sehr schnell ein überragend tolles Aroma entwickelt. Schon beim ersten Schluck konnte ich diesen Gedankengang nachvollziehen, denn die Mischung aus Früchten, Süße, einer PX-typischen Würze und getrockneten Beeren hat mir richtig gut gefallen. Auf der Theke stand außerdem ein kleines Fass, das für den Ausschank eines weiteren Handfilled diente. Eine drei Jahre alte Vollreifung im Jack Daniel´s Fass bot mit 61,8% richtig viel Wumms, dazu dann aber auch sehr viel Vanille und Karamell. Sicherlich ist das nicht der komplexeste Whisky auf dem Markt, aber er ist lecker, was ja nach wie vor am wichtigsten ist.

Als wir eigentlich schon unsere neuen Schätze bezahlen wollten, fiel meiner Frau dann doch noch der Liqueur Kolomat´s Choice, der mit Vanille, Zimt und Kokos aromatisiert wurde, ins Auge und anschließend auch ins Glas. Auch mir hat der Likör, der überraschend wenig Süße mitbringt, dafür aber neben den zugesetzten Aromen auch seinen Whisky-Charakter bewahrt hat, gut gefallen, so dass mein Rucksack um eine weitere Flasche schwerer wurde. Die volle Ladung Süße gab es dann aber noch als Rausschmeißer. Der Turf Dog Berry ist ein Likör auf Basis des New Makes. Obwohl für diesen Tropfen der New Make aus dem 91ppm-Malz verwendet wurde, ist die beerige Süße extrem präsent und mir persönlich tatsächlich deutlich zu klebrig. Ähnlich wie der Bramble von Kilchoman, der in eine ähnliche Richtung geht, ist der Turf Dog Berry aber sicher eine interessante Zutat für Cocktails oder Longdrinks.


Mein ganz herzlicher Dank für diesen tollen Nachmittag geht an Andreas Thümmler, der zwar aufgrund eines Termins nicht persönlich vor Ort sein konnte, aber den Kontakt zu Mario Rudolf hergestellt hat. Auch an Mario möchte ich ein ganz, ganz dickes Dankeschön richten, denn er hat sich wirklich ausgesprochen viel Zeit genommen, uns tolle Geschichten zur Brennerei, ihrer Geschichte und der Philosophie erzählt und uns zum Abschluss tolle Tropfen eingeschenkt. Über den Namen der Destillerie, der sich von Kilian ableitet, der im 7. Jahrhundert als Missionar in Franken auf Reisen war, sind wir auch noch auf The Kilians gekommen, eine Band, die sowohl meine Frau und ich wie auch Mario vor rund 15 Jahren gerne gehört haben. Das erste Album hieß damals Kill The Kilians. Ob es die Band heute noch gibt, musste ich erst einmal googlen. Das ist schon seit 2013 nicht mehr der Fall, die Destillerie wird aber ganz sicher noch sehr lange bestehen und weiterhin tollen Stoff produzieren. Also: Don´t Kill St. Kilian!

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