Sonntag, 17. Oktober 2021

Besuch bei Wein-Riegger in Villingen-Schwenningen inkl. Fasslager

Vor einigen Monaten haben meine Frau und ich an einem Online-Tasting von Wein-Riegger teilgenommen und waren von den dort präsentierten Abfüllungen begeistert. Besonders spannend fanden wir, dass es in Villingen-Schwenningen ein eigenes Fasslager gibt, dass in einen Fels gebaut wurde. Da stand fest, dass wir unbedingt einmal vor Ort vorbeischauen müssen, wenn sich die Situation ergibt. Als ich dann kurz darauf anfing, unseren Herbsturlaub zu planen, der wieder in Form einer Deutschland-Rundreise stattfinden sollte, haben wir uns sehr schnell auf den Schwerpunkt Schwarzwald geeinigt. Dadurch hat sich dann gleichzeitig auch die Möglichkeit ergeben, in Villingen-Schwenningen nicht nur die Hauptfiliale sondern auch noch das Fasslager besuchen zu können. Olaf Lauinger, einer der drei Geschäftsführer, die alle aus der Familie Lauinger stammen, nahm sich sehr viel Zeit für uns, erklärte uns viele Hintergründe und ließ uns auch noch den einen oder anderen spannenden Tropfen probieren.


Wir waren bereits zehn Minuten vor der verabredeten Zeit im Laden, so dass wir uns schon einmal etwas umsehen konnten. Wir haben uns dabei erst einmal nur auf den Whisky-Bereich konzentriert, dann selbst dieser ist schon so riesengroß, dass man als Whisky-Nerd sehr viel Zeit hier verbringen kann. Dabei ist die Abteilung für Rum ähnlich gut bestückt, es gibt aber auch andere Spirituosen, Wein, Bier und eigentlich alle anderen Getränke, die man sich vorstellen kann. Dazu gehören natürlich auch zahlreiche eigene Abfüllungen aus Fässern, die im Fasslager direkt auf dem Gelände liegen. Und genau dorthin entführte uns Olaf Lauinger, nachdem er uns im Laden eingesammelt hatte. Dabei gingen wir zunächst durch einen großes Hinterzimmer, das erst einmal wie ein Paradies aussah, denn dort standen rundherum an den Wänden unzählige geöffnete Flaschen, aus denen probiert werden konnte. Hier finden in normaleren Zeiten Tastings statt, aktuell wird der Raum aber gerade für die Abfüllung der diesjährigen Adventskalender genutzt, die kurz nach unserem Besuch erhältlich sein sollten.

Angekommen im Fasslager waren wir erst einmal erschlagen von der überraschend großen Anzahl an Fässern, die hier auf ihre Abfüllung warten. Rund 500 Fässer liegen hier, wobei ungefähr 200 davon Whisky enthalten. Lange Zeit lagen viele der Fässer noch in Schottland, da jedoch irgendwann entschieden wurde, dass keine Fässer mehr aus Schottland exportiert werden dürfen, hat man die Fässer kurz vor Inkrafttreten der Regelung noch ins eigene Lager geholt. Hier liegen auch heute noch viele Schätze wie zum Beispiel diverse getorfte Tropfen von Ben Nevis. Durch sehr gute Kontakte zu verschiedenen Wein-, Sherry- und Port-Produzenten hat Riegger aber auch immer wieder die Möglichkeit, an sehr gute und teils ungewöhnliche Fässer zu kommen, in denen dann eigene Abfüllungen reifen oder gefinisht werden können. Der etwas größere Anteil an Fässern im Lager enthält aber inzwischen Rum.

Wir haben uns aber natürlich eher auf den Whisky konzentriert und durften direkt aus dem Fass zwei mögliche Kandidaten für den Red Deer VII probieren. In dieser Reihe werden deutsche Whiskys aus dem Schwarzwald abgefüllt, die in unterschiedlichen Fässern reifen durften. Dabei ist es der Familie Lauinger wichtig, dass sich die Whiskys deutlich voneinander unterscheiden. Einmal ist man übrigens aus dem Schema der Whiskys aus dem Schwarzwald ausgebrochen und hat einen Whisky der Speyside Distillery abgefüllt, das wird es aber in Zukunft nicht mehr geben. Die beiden Kandidaten für die Nummer VII sind ein zehn Jahre alter Grain aus Weizen, der in Chardonnay und Sherry reifte, sowie ein 2014er Single Malt aus dem Weinfass. Der Grain stammt von Alde Gott in Sasbachwalden und bietet in der Nase sehr viel Süße, während es am Gaumen in Richtung Weingummi geht. Dieser Whisky ist schon sehr stark, aber der Single Malt ist eine echte Granate, die mit etwas Zeit im Glas und Handwärme jede Menge Früchte transportiert, wobei Pfirsich und überreife Banane im Vordergrund stehen. Ob nun zuerst der eine oder der andere Whisky abgefüllt wird, ich habe die große Befürchtung, dass ich beide werde kaufen müssen.

Das Fasslager ist zwar ganzjährig relativ kühl, trotzdem ist der Angels Share mit 3,5% bis 5% pro Jahr im Vergleich zu Schottland recht hoch. Somit trägt das Fasslager den Namen Hall of Angels Share absolut berechtigt. Deutlich höher ist der Angels Share natürlich in Panama, weswegen die von dort stammenden Fässer stehend gelagert werden. Die Erklärung ist ganz einfach, denn dadurch, dass relativ schnell im oberen Bereich nur noch Luft in den Fässern ist, trocknet das Holz dort aus. Das sorgt auch dafür, dass dieser Bereich der Fässer undicht wird und beim Wechsel auf liegende Lagerung Rum auslaufen würde. Somit bleiben diese Fässer im Lager stehen. Ich hätte hier noch Stunden im Lager verbringen können, aber die Zeit war ja schon deutlich fortgeschritten und es war auch noch der Kauf der einen oder anderen Flasche geplant. Deshalb ging es nun zurück durch den Tastingraum in den Laden.

So ganz direkt klappte das aber dann doch nicht, denn im Tastingraum blieben wir noch einmal hängen. Aktuell gibt es von Riegger zwei Schwesterfässer von Ben Nevis, von denen eines im PX-Fass und das andere im eher selten verwendeten Fino-Fass reifte. Das PX-Fass hat im ersten Moment für einen leichten Muff gesorgt, der aber schnell verfliegt. Danach wird es fruchtig-würzig, was mir sehr gut gefallen hat. Etwas gefälliger war aber tatsächlich das Fino-Fass, das etwas Nussigkeit in den mit nur 3,5 Jahren doch recht jungen Whisky gezaubert hat. Das hat mir so gut gefallen, dass ich eine Flasche mitnehmen musste. Ich durfte außerdem noch einen sehr spannenden Whisky aus der Speyside Distillery mit Finish im Bowmore Fass probieren, der ebenfalls in den Warenkorb kam. Außerdem gab es noch den leider bereits ausverkauften Red Deer V aus dem Süßweinfass (Ruländer Beerenauslese). Den hätte ich sofort mitgenommen, wenn noch etwas da gewesen wäre, denn das ist ein wirklich toller Tropfen mit einem Mix aus viel Frucht, Süße und einer angenehmen Würze.

Für wen lohnt sich nun also ein Besuch bei Wein-Riegger (vor Ort oder im Online-Shop)? Für den Whisky-Nerd? Absolut, denn die Auswahl ist riesig. Ich habe viele unabhängige Abfüller gesehen, die man sonst nur schwer bekommt. Für den Fan deutscher Whiskys? Auf jeden Fall, denn es gibt natürlich nicht nur die wirklich tollen Red Deer-Abfüllungen, für die der New Make übrigens inzwischen ausschließlich von einer kleinen Brennerei im südlichen Schwarzwald produziert wird, die die Maische aus einer Brauerei in ihrer unmittelbaren Umgebung bezieht. Wie sieht es mit dem eher unerfahrenen Whisky-Einsteiger aus? Auch der ist hier richtig, denn die Beratung ist wirklich exzellent und es gibt die Möglichkeit, den Großteil der Abfüllungen vor dem Kauf zu probieren. Im Grunde wird hier jeder fündig, der aus welchen Gründen auch immer eine hochwertige Spirituose kaufen möchte.

Ich bin fast etwas traurig, dass Villingen-Schwenningen so weit von meinem Wohnort entfernt ist, denn ansonsten wäre ich hier Stammkunde. Wenn ich wieder in der Gegend bin, gucke ich aber auf jeden Fall wieder vorbei, denn mir gefällt es bei Wein-Riegger richtig gut. Ich freue mich sehr auf kommende Abfüllungen, kurzfristig auf jeden Fall auf die beiden nächsten Red Deer-Abfüllungen, später dann auf die anderen Tropfen aus dem gut gefüllten Fasslager. Mein ganz herzlicher Dank geht an Lisa Lauinger, die uns den Besuch des Fasslagers ermöglicht hat, und natürlich an Olaf Lauinger, der extrem viel Zeit investiert hat, um uns alles zu zeigen. Darüber hinaus hoffe ich sehr, dass es auch in Zukunft wieder Online-Tastings geben wird, denn dadurch bin ich überhaupt erst so richtig auf Riegger aufmerksam geworden, was meine Geschmacksreise durch die Welt der Whiskys jetzt schon bereichert hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen