Schon vor einem Jahr, als meine Frau und ich unsere erste Deutschland-Rundreise gemacht haben, wollten wir gerne einen Stopp bei der Brennerei Henrich in Kriftel bei Frankfurt machen. Leider passte es aus verschiedenen Gründen zu diesem Zeitpunkt nicht, aber jetzt, ziemlich genau ein Jahr später, konnten wir den Besuch und ein Wiedersehen mit Ralf Henrich, der unter anderem für den in der Brennerei hergestellten Gilors Whisky verantwortlich ist, realisieren. Ralf kannten wir schon von verschiedenen Messen und waren auch darüber hinaus immer mal wieder im Austausch. Umso größer war die Vorfreude auf den Besuch vor Ort. Am späten Nachmittag waren wir verabredet, mehrere Stunden später saßen wir immer noch mit dem brandneuen und ersten zehnjährigen Gilors im Glas zusammen. Dazwischen haben wir viel gesehen, Hintergründe erfahren und spannende Fässer probieren dürfen.
Mittwoch, 24. November 2021
Besuch bei der Brennerei Henrich (Gilors Whisky) in Kriftel
Während wir auf Ralf warteten, sahen wir uns zunächst einmal im Shop um. Diesen gibt es in dieser Form erst seit gut einem Jahr, denn im Spätsommer 2020 wurde der Um- und Anbau auf dem Gelände der Brennerei fertiggestellt. Der Shop wirkt nun sehr aufgeräumt und modern, trotzdem behält er seinen rustikalen Charme bei. Natürlich steht hier nicht nur Whisky im Regal, es gibt auch Rum, Gin, diverse Brände, Weine, Säfte und natürlich Apfelwein. Da außerdem Obst, Gemüse und selbst eingekochte Marmelade zum Sortiment gehören, durfte der Shop auch während der Lockdowns geöffnet bleiben. Trotzdem hat Corona zu einem Umsatzeinbruch von rund 25% im Shop geführt. Ohnehin ist der Shop die Hauptabsatzquelle für die Brennerei, so dass Corona natürlich spürbar war. Trotzdem blickt man optimistisch in die Zukunft, weil man zum einen sehr viel in das Equipment investiert hat, zum anderen aber auch die Erfahrung gewachsen ist und man natürlich weiß, dass man sehr gute Produkte im Sortiment hat.
Die erste Investition in die Anlagen wird deutlich, wenn man zur Brennanlage kommt. Hier befindet sich nämlich seit einiger Zeit eine Automatisierung, die die Produktion steuert. In der Vergangenheit musste Ralf regelmäßig probieren und riechen, um den richtigen Zeitpunkt für den Wechsel von Vorlauf zu Herzstück bzw. Herzstück zu Nachlauf zu bestimmen. Das hat tatsächlich manchmal dazu geführt, dass er den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, so dass alles noch einmal gebrannt werden musste. Heute wird das Herzstück zuverlässig abgetrennt, so dass dieser Anteil im Prinzip sogar nur einfach gebrannt ist, obwohl natürlich auf die Blase noch eine Kolonne folgt, bei der allerdings bei der Produktion von Whisky alle vier Böden komplett geöffnet sind. Gerne experimentiert Ralf aber mit seinem New Make, lässt dabei auch gerne einmal etwas mehr Nachlauf zu, um dem Vorurteil, dass deutscher Whisky zu sauber gebrannt wird, entgegenzutreten. Trotzdem bleibt die Qualität durchgängig hoch. Ins Fass kommt der New Make dann übrigens in der Regel mit rund 63%, ab und zu gibt es aber auch geringe Mengen, die entweder weiter herunterreduziert oder hochprozentiger reifen, damit Fässer komplett voll werden.
Investitionen sieht man aber auch an anderen Stellen, so gibt es zum Beispiel auch eine komplett neue Abfüllanlage. Während früher jede Flasche von Hand befüllt, gelabelt und verkapselt wurde, erledigt dies inzwischen eine Anlage, die auch alle Flaschengrößen abdecken kann. Da die Mengen beim Whisky allerdings weiterhin sehr klein sind, wird hier weiterhin von Hand abgefüllt, danach kommt dann aber auch hier die Maschine zum Einsatz. Außerdem musste Ralf in der Vergangenheit immer auf dem Hof sein Malz schroten, weil es einfach extrem gestaubt hat. Bei feuchten Wetter konnte diese Arbeit dann logischerweise nicht erledigt werden. Jetzt gibt es auch hierfür eine Anlage, die in der Halle betrieben werden kann, so dass wetterunabhängig geschrotet werden kann. Erweitert wurde außerdem das Fasslager, so dass jetzt an zwei Orten auf dem Gelände Fässer stehen. Dabei ist für Ralf die Qualität der Fässer enorm wichtig, denn nur so bekommt man ein gutes Endprodukt. So hat er auch schon Fässer, die seinen Ansprüchen nicht genügen, zurückgeschickt.
Die Fässer standen dann auch im weiteren Verlauf des Abends im Mittelpunkt, denn wir hatten die Chance, gemeinsam mit Ralf gleich mehrere Fassproben zu ziehen. Am liebsten hätte ich natürlich alle rund 280 Fässer, die aktuell im Lager der Brennerei liegen, probiert, aber Ralf hatte tatsächlich einige echte Schätze ausgesucht. Los ging es mit einem sehr interessanten Tropfen, der zunächst drei Jahre in einem PX-Fass lag, bevor er vor knapp einem Jahr in ein Bourbon-Fass von Buffalo Trace umziehen durfte. Das erste Fass hat für fruchtig-würzige Aromen gesorgt, das Bourbon-Fass liefert nun zusätzlich eine schöne Süße. Sicherlich wird dieser Whisky aber noch einige Jahren ruhen dürfen, bevor er in Flaschen zu uns nach Hause kommt. Danach gab es einen Tropfen aus einem Fass, bei dem wir auch etwas mit Wasser gespielt haben. Während bei fassstarken rund 62% zunächst eher nussig-würzige Aromen im Vordergrund standen, kam mit wenig Wasser und knapp unter 60% etwas mehr Schärfe zum Vorschein. Danach wurde der Whisky mit ca. 52% und am Ende rund 46% immer süßer und die Fruchtigkeit nahm immer mehr Raum ein. Im Grunde war das ein schnelle Version des Auswahlverfahrens, in welcher Stärke Ralf seinen Whisky abfüllt. Meist hat er rund zehn verschiedene Stärken auf dem Tisch, einige scheiden sofort aus, andere dürfen am folgenden Wochenende dann in einer zweiten Runde noch einmal gegeneinander antreten.
Später gingen wir ins alte Fasslager, wo wir aus weiteren Fässern naschen konnten. Hier probierten wir unter anderem ein 2014er Cream Sherry Fass, das sowohl meine Frau wie auch mich extrem begeistert hat. Trotz seiner rund 60% war der Whisky enorm rund und der Alkohol richtig gut eingebunden. Dazu gab es enorm viel Süße und mindestens genauso viele dunkle, intensive Früchte. Wenn Ralf irgendwann dieses Fass abfüllen wird, dann stehe ich sicherlich ganz vorne in der Reihe der Interessenten. Was für ein Highlight! Aber auch danach folgten noch spannende Fässer, wobei mich eine Abfüllungen aus einem Port-Fass besonders begeistert hat. Der darin enthaltene Whisky war zuvor in einem Ex-Islay-Fass, so dass zu den schweren Fruchtaromen und der Würze auch ein leichtes Raucharoma kam, das aber dezent im Hintergrund blieb. Da Ralf inzwischen dazu übergeht, eher auf größere Fässer zu setzen, um länger lagern zu können, dürfen außerdem immer mal wieder die Inhalte seiner älteren 100l-Fässer in andere Fässer umziehen. Zum Beispiel kommt hier seit vier Monaten ein Quarter Cask von Laphroaig zum Einsatz, das dem Whisky bereits nach dieser kurzen Zeit seinen jedoch auch nicht zu prägnanten Stempel aufgedrückt hat. Überhaupt dürften in Zukunft noch mehr Bourbon-Fässer zum Einsatz kommen, um einerseits ein gutes Grundmaterial für ein mögliches Finish zu haben, andererseits aber auch irgendwann eine reine Bourbonfassreifung auf den Markt bringen zu können.
Nachdem wir uns durch die vielen Fässer probiert hatten, folgte noch ein weiteres Highlight in Form des ersten zehn Jahre alten Whiskys von Gilors. Hierfür wurde ein Whisky verwendet, der zunächst drei Jahre in einem Ex-Islay-Fass lag und anschließend in ein PX-Fass umzog. Tatsächlich handelte es sich ursprünglich sogar um zwei Fässer, allerdings wurde das eine vor einigen Jahren mit dem Inhalt des Schwesterfasses aufgefüllt, um eine möglichst große Flaschenzahl zu erhalten. Das zweite Fass ist inzwischen wieder befüllt, das Fass des zehnjährigen Whiskys wartet derzeit auf einen Refill. Genauer bin ich aber schon vor einiger Zeit auf diesen Tropfen eingegangen, so dass ich mich hier nun etwas kürzer fasse. Aber auch hier weise ich noch einmal darauf hin, dass es sich einfach um einen tollen Tropfen handelt. So ging dann der Abend irgendwann zu Ende und meine Frau und ich stiegen mit vielen neuen Eindrücken ins Taxi zum Hotel. Sicherlich gibt es noch unzählige weitere Details, die zwar interessant wären, die aber hier den Rahmen sprengen würden. Für den Moment möchte ich mich deshalb noch einmal ganz herzlich bei Ralf für die Zeit und den spannenden Abend bedanken. Wir hatten jede Menge Spaß und wann immer Du mal nach Hamburg kommst, bist Du selbstverständlich jederzeit bei uns auf den einen oder anderen Dram willkommen!
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