Mittwoch, 31. August 2022

Messebericht Just Whisky Hamburg

Am letzten Wochenende im August fand nach zweifacher Verschiebung die erste Just Whisky in Hamburg Harburg statt. Im Speicher am Kaufhauskanal trafen sich zahlreiche Whisky-Genießer, um an rund 25 Ständen tolle Abfüllungen zu probieren. Ich war mit meiner Frau an beiden Tagen vor Ort und war von der Atmosphäre wirklich sehr begeistert. Zwar wohne ich im Hamburger Speckgürtel, trotzdem hat die Anreise rund 90 Minuten in Anspruch genommen, dabei gab es am ersten Messetag vorab eine kostenlose Sauna in der Regionalbahn der Deutschen Bahn. Das grenzte fast an Körperverletzung, denn wenn man hätte umfallen können, was aufgrund der vielen Menschen in der viel zu warmen Bahn unmöglich war, dann hätte es sicherlich den einen oder anderen erwischt. Letztlich kamen wir aber zwar nass aber munter und durstig am Speicher an und konnten einen tollen ersten Messetag erleben. Der zweite Messetag war etwas weniger heiß, so dass Anreise und auch Messe etwas entspannter waren. Beide Tage hatten gemein, dass wir unglaublich viele tolle Whiskys ins Glas bekamen und aufgrund der entspannten Besucherlage auch viel Zeit für Gespräche an den Ständen hatten.


Gleich zu Beginn blieben wir am ersten Tag zunächst bei der Sauerländer Edelbrennerei hängen, wo wir den neuen Braven und somit die erste reine Abfüllung aus dem Bourbonfass ins Glas bekamen. Dieser konnte mit viel Honigsüße, Nüssen und einer leichten Fruchtigkeit überzeugen. Noch besser gefiel mir allerdings die fassstarke Abfüllung aus dem kleinen 30l-Messefass, das auf Grundlage des McRaven in Fassstärke entstanden ist, der rund vier Monate im kleinen Portfass nachreifen durfte, das tolle dunkle Fruchtaromen in frischer und getrockneter Form in den Whisky gezaubert hat. Beim anschließenden Besuch bei Mackmyra fand sich am Stand ebenfalls ein kleines 30l-Fass, das mir grundsätzlich auch gut gefallen hat, aber wie so oft bei den kleinen Fässern war mir auch hier wieder im Abgang etwas zu viel Holz im Spiel. Umso begeisterter war ich dann aber im Anschluss von der Special Cask Edition mit Körsbärsrök-Finish, also einer Nachreifung im Kirschweinfass mit einem torfigen Whisky. Man könnte meinen, die kleinen Kirschlollies, die vermutlich jeder als Kind gelutscht hat, wurden hier mit Raucharomen versetzt.

Beim anschließenden Besuch bei Loch Lomond wurde wieder einmal deutlich, wie positiv sich die Brennerei in den letzten Jahren entwickelt hat. Für viele steht Loch Lomond noch immer für die blaue Dose aus dem Supermarkt, aber nicht nur die aktuellen Standardabfüllungen sind wirklich großartig, auch die Single Casks wissen absolut zu begeistern. Dabei sind sie immer noch zu sehr erschwinglichen Preisen erhältlich, so dass viele Besucher nach dem Probieren nicht ohne eine Flasche nach Hause gegangen sind. Ganz neu sind hier zwei verschiedene Bourbonfassreifungen, die aber in unterschiedlichen Brennverfahren hergestellt wurden und nach sieben bzw. elf Jahren tolle Aromen entwickelt haben, dabei aber völlig unterschiedlich sind. Nicht weniger spannend ist auch das fruchtig-würzige Oloroso-Fass, das Brand Ambassador Sebastian Büssing exklusiv für Deutschland auswählen durfte. Ebenfalls an diesem Stand konnte ich einen mir bisher völlig unbekannten Whisky aus der italienischen Poli Destillerie probieren, die eigentlich eher für Wein bekannt ist. Nach vier Jahren im Amarone-Fass bekommt man hier einen fruchtig-süßen Sommerwhisky.

Ein weiteres Highlight an Tag 1 war ein Macduff, der von TnT Casks als Charity Bottling für die Flutopfer im vergangenen Jahr abgefüllt wurde. Tolle Fruchtaromen unterstützen die Süße und die würzigen Noten des Whiskys sehr gut. Beim folgenden Tamdhu von 2007 aus dem Sherryfass dürften dann die Freunde "dunkler Suppe", wozu ich mich ab und an auch zähle, auf ihre Kosten kommen. Die Sherry-Aromen sind hier deutlich erkennbar, ohne den Whisky dabei aber völlig zu überlagern. Zum Abschluss des ersten Tages sollte es dann noch etwas Rauchiges sein, weswegen ich mich für einen fünf Jahre alten St. Kilian aus einem PX-Fass von der Whiskyburg Wittlich entschied. Dunkle Früchte und Rauch passen aber auch einfach richtig gut zusammen! Als Rausschmeißer gab es dann noch einen klassisch im Bourbonfass gereiften Ardbeg, der als Secret Islay von Sansibar abgefüllt wurde. Nach dreizehn Jahren im Fass verbinden sich hier Karamell und Vanille mit dem typischen Islay-Rauch.

Der zweite Messetag fing schon vor der eigentlichen Messeöffnung an, denn ich durfte ein wirklich spannendes Lindores Abbey-Tasting im vietnamesischen Restaurant Hoi An, das gleich um die Ecke lag und wirklich tolles Essen zu bieten hat, besuchen. Dazu wird es aber an dieser Stelle in den nächsten Tagen noch einmal einen ausführlichen Bericht geben. Pünktlich zur Messeöffnung waren wir dann aber wieder am Speicher, wo wir zunächst den Stand von Celtic Events mit Andy McNeill und seinem Kollegen Roland ansteuerten. Ins Glas gab es hier einen fruchtig-süßen Linkwood aus einem Refill Sherry Cask von Coopers Choice. Später am Tag waren meine Frau und ich dann auch noch in einem Tasting mit Andy McNeill, das unter dem Motto "Whisky, Sex & Ice" stand. Hier präsentierte er noch einmal vier spannende Abfüllungen, wobei in der Reihenfolge des Mottos eher Andys Geschichten über Sex und Ice (eigentlich auch immer mit Bezug zu Sex) im Vordergrund standen und die Whiskys eher begleitend zu verstehen waren, weswegen ich hier auch gar nicht näher auf die Tropfen eingehe. Wer aber schon einmal ein Tasting mit Andy besucht hat, der wusste schon im Vorwege, was einen erwartet.

Nach einem kurzen Zwischenstopp bei der Dolleruper Destille, wo ich einen wirklich spannenden Whisky auf Roggenbasis aus einem Bierbrandfass probieren durfte, ging es weiter zum Berliner Whiskyherbst. Hier standen gleich mehrere Raritäten auf dem Tisch, von denen ich mir einen Springbank 1999/2013 aus dem Sherry-Fass einschenken ließ, der exklusiv für Whiskykanzler abgefüllt wurde. Die leicht dreckigen Noten verbinden sich hier wirklich toll mit leichten Raucharomen und dem fruchtig-würzigen Sherry. Schade, dass man hier wohl so gut wie keine Chance mehr hat, an eine ganze Flasche (zum bezahlbaren Kurs) zu kommen. Es fanden sich aber auch noch einige aktuelle und sehr fair bepreiste Exklusivabfüllungen wie ein neun Jahre alter Ben Nevis aus einem Madeira-Fass sowie ein Linkwood aus dem Cognac-Fass, der mir besonders zugesagt hat und deswegen jetzt bei mir zu Hause im Regal steht. Beide wurden vom unabhängigen Abfüller Mossburn in die Flasche gebracht. 

Natürlich musste ich auch am zweiten Tag noch einmal bei Sansibar vorbeischauen, weil es dort nicht nur grandiose Abfüllungen gab, sondern diese auch noch zu den mit Abstand fairsten Preisen der Messe angeboten wurden. Ich kann ehrlicherweise nicht nachvollziehen, warum einige Aussteller auf Messen ihre Drams fast zu Kneipenpreisen anbieten, das widerspricht für mich dem Sinn einer Messe. Über Sansibar kann man das aber nun wirklich nicht sagen, denn hier wird konsequent so kalkuliert, dass die Preise fair sind, man auch mal ohne schlechtes Gewissen einen etwas teureren Tropfen probieren kann und so am Ende vielleicht auch tendenziell eher hier eine Flasche kauft. Probieren konnte ich am Stand einen überraschend hellen Ledaig aus einem Sherry Butt, der mir mit seinen dreckigen Noten, seiner Süße und seinen dezenten Fruchtaromen sehr gut gefallen hat. Als Rausschmeißer gab es später natürlich wieder die volle Ladung Rauch, diesmal in Form eines zwölf Jahre alten Caol Ila aus dem Sherry Cask. Beide Abfüllungen, die unter dem Finest Whisky Berlin Künstler-Label erschienen sind, zeigen mal wieder sehr deutlich, was für ein glückliches Händchen bzw. wie gute Beziehungen man bei Sansibar bei der Fassauswahl hat.

Damit gingen dann zwei wirklich tolle Messetage viel zu schnell vorbei. Ich hätte sicherlich noch das eine oder andere Tröpfchen probieren können und wollen, aber irgendwo sind die Aufnahmekapazitäten in zwei Tagen dann doch beschränkt. Mir hat es sehr gut gefallen, dass auf der Messe tatsächlich der Whisky absolut im Mittelpunkt stand. Scheinbar wird die nächste Auflage der Messe Ende September 2023 wieder im Speicher am Kaufmannskanal stattfinden. Nach der positiven Resonanz könnte ich mir vorstellen, dass die Messe dann auch noch besser besucht sein wird, wobei es so, wie es war, für uns als Besucher wirklich sehr entspannt und angenehm war. Was würde ich mir also noch für die Neuauflage wünschen, wenn man mal von etwas weniger Hitze am ersten Messetag absieht, worauf aber natürlich der Veranstalter keinen Einfluss hat? Ich hätte es gut gefunden, wenn die Tastings über zwei Tage verteilt stattgefunden hätten, denn dann hätte ich gerne noch eine zweite Veranstaltung besucht. Zusätzlich zum eher rustikalen Essensstand könnte ich mir vorstellen, dass ein Foodtruck, der eventuell auch etwas für Vegetarier anbietet, gut angenommen werden würde. Alles in allem war das aber eine mehr als gelungene Premiere, die neben vielen tollen Drams auch noch viele interessante Gespräche mit anderen Whisky-Nerds hinter und vor den Ständen zu bieten hatte.

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