Wie schon in den vergangenen beiden Jahren haben meine Frau und ich auch in diesem Herbst wieder eine Tour durch Deutschland geplant, bei der wir auch verschiedene Brennereien besuchen wollen. Zum Auftakt haben wir uns diesmal für eine Fahrt ins wirklich schöne Dresden entschieden. Dort stand natürlich ein Besuch bei der zukünftig größten Whisky-Destillerie Deutschlands auf dem Programm, nämlich bei der Dresdner Whiskymanufaktur, die mit den Marken Hellinger 42 und Siehdichfür bereits auf dem Markt ist. Die tatsächliche Produktion startet allerdings erst in den nächsten Tagen, wenn die Anlagen final vom Zoll abgenommen sind. Schon heute bekommt man aber verschiedene Abfüllungen, die bisher noch als sieben Jahre alter Whisky aus bereits jahrelang und mehrfach belegten Bourbonfässern aus der Speyside den Weg nach Sachsen finden. In Dresden erhalten diese dann die finale Reifung bzw. ein Finish, um dann einen Vorgeschmack darauf zu geben, welchen Charakter die zukünftigen Abfüllungen von Hellinger 42 haben sollen. Hier kommt dann einer der Gründer und Geschmacksverantwortlicher Thomas Michalski ins Spiel, denn er kreiert die Abfüllungen und wird auch für zukünftige Kompositionen verantwortlich sein. Damit ist er dann tatsächlich auch nicht Master Blender, sondern er bezeichnet sich als Geschmacksverantwortlicher, weil es sich beim Hellinger 42 zwar um einen Whisky nach schottischem Vorbild handeln soll, der aber einen unverkennbaren sächsischen Stempel bekommt. Dazu gehört dann auch eine deutsche Berufsbezeichnung. Diese und viele andere Geschichten erzählte uns Thomas bei unserem Besuch vor Ort.
Sonntag, 25. September 2022
Besuch bei der Dresdner Whiskymanufaktur (Hellinger 42)
Mit der Straßenbahn fuhren wir die paar Stationen vom Hotel bis zum Alberthafen, von wo aus es nur ein Katzensprung zur Destillerie ist. Da wir sehr früh dran waren, warteten wir zunächst im Destillerie-Shop, wo neben den aktuellen Abfüllungen auch noch zwei Handfill-Fässer und eine Menge Merch u.a. in Form von Shirts, Taschen, Socken, Handtüchern, Sonnenbrillen und Gläsern zu finden ist. Auch eine Bar gibt es hier, an der man jeden Whisky für faire EUR 2,50 und jeden Whisky-Likör für EUR 1,50 vor dem Kauf probieren kann. Nach kurzer Wartezeit holte uns Thomas dann aber zum Rundgang durch die Brennerei ab. Im Treppenaufgang wurde gleich deutlich, dass die beiden Gründer in vielen Fällen vom Film "Per Anhalter durch die Galaxis" inspiriert wurden. So finden sich hier der depressive Roboter, ein Pottwal und der Schriftzug "Don´t Panic". Der Petunientopf tauchte dann später im Tastingraum auf. Auch beim Namen Hellinger 42 bezieht man sich auf den Film, denn 42 ist die Antwort auf alle Fragen. Lediglich "Hellinger" hat keinen Filmbezug, denn dieser Name ist der Mädchenname der Mutter des zweiten Gründers Frank Leichsenring.
Der nächste Stopp war an den beiden kupfernen Brennblasen von Kothe, die jeweils ein Fassungsvermögen von 5.000 Litern haben. Bei unserem Besuch stand die Zollabnahme kurz bevor, so dass ich fast davon ausgehe, dass bei Veröffentlichung dieser Zeilen bereits produziert wird. Für Kothe und damit gegen Blasen aus Schottland hat man sich übrigens deswegen entschieden, weil man bei allen Produktionsschritten so regional wie möglich bleiben möchte. Die Fragekette lautet dabei, was man in Dresden einkaufen kann, was in Sachsen und anschließend, was in Deutschland erhältlich ist. Alle verbauten Elemente und alle Rohstoffe kommen aus Deutschland und dabei soll es auch zukünftig bleiben, denn auch die Fässer werden über die Firma Eder bezogen. Lediglich das Rauchmalz wird zukünftig aus Schottland importiert werden. Produziert werden soll dann an sieben Tagen in der Woche, wobei samstags und sonntags nur eine Schicht arbeiten wird, an den übrigen Tagen sind es zwei Schichten. Dafür gibt es schon heute 14 Mitarbeiter in der Brennerei, darunter zwei Braumeister und zwei Brauer, in Zukunft, wenn die Destillerie unter voller Last läuft, werden es rund 25 Arbeitsplätze sein, die in der Dresdner Whiskymanufaktur entstanden sind.
Natürlich durften wir auch einen Blick auf die übrigen Produktionsanlagen werfen, wo es mit dem T-Rex, der kleinen und eher unscheinbar wirkenden Mühle, die aber enorme Mengen Malz innerhalb kürzester Zeit mahlen kann, losging. Mit der folgenden Nessie durften wir danach eine echte Innovation sehen, denn es gibt in der Brennerei keine Läuterbottiche, dafür kommen mehrere hintereinander stehende Räder zum Einsatz, die eine Art Läuter-Kolonne ergeben. So wird der Läuterprozess deutlich effektiver. Äbfälle werden anschließend grundsätzlich weiterverarbeitet, denn der Treber wird von Landwirten aus der Region als Futter abgeholt und alle flüssigen Rückstände inklusive Vor- und Nachlauf werden gesammelt und täglich zum Wertstoffhof gefahren, wo sie zu Biogas verarbeitet werden.
Auf dem Weg zurück zum Tasting Room wagten wir noch einen Abstecher in das Tonstudio, das ebenfalls im Gebäude zu finden ist. Das klingt erst einmal nach einer ungewöhnlichen Kombination, aber beide Gründer sind Mitglieder der Band Hellinger, die inzwischen nach dem tragischen Tod des vorherigen Sängers mit Martin Kesici einen Freund der Brennerei als neuen Sänger gewinnen konnte. Außerdem arbeitet im Tonstudio einer der besten Produzenten der Welt, der unter anderem diverse Edelmetall-Platten mit Phil Collins oder den No Angels gewinnen konnte. Obwohl ich keine Ahnung von der Musikproduktion habe, fand ich es sehr spannend, mal einen Blick in ein professionelles Studio werfen zu können. Danach setzten wir uns dann gemeinsam in Thomas Büro, wo es dann noch eine Kostprobe der aktuellen Abfüllungen gab. Meine Frau entschied sich für den Hellinger 42 Port, der tolle Fruchtaromen mitbringt und uns beide sehr überzeugt hat. Später probierten wir auch noch die Variante mit identischer Grundreifung aber Finish im Sherry-Fass, die mit den eher würzigen Aromen ebenfalls sehr zu überzeugen wusste, aber nicht an den Port herankam.
Ich entschied mich dafür, gleich mit einem torfigen Whisky zu starten, und ließ mir von Thomas den Siehdichfür einschenken, der einen kleinen Aufdruck in schwedischer Sprache hat, der darauf hinweist, dass dieser Whisky für Schweden nicht geeignet sei. Das hat natürlich auch wieder ein spezielle Geschichte, die sich in der Region zugetragen hat. Vor langer Zeit fiel die schwedische Armee in der Region eines der Gründer ein und wollte ein bestimmtes Dorf einnehmen. Auf dem Weg dorthin befragten die Schweden eine Bäuerin, die zunächst nicht sagen wollte, welchen Weg man nehmen muss. Nachdem ihr Haus in Brand gesetzt wurde, zeigte sie den Schweden schließlich doch den Weg, dies aber nicht ohne den Hinweis "Siehdichfür". Wenige Tage später fand man die Schweden, die ihren Zielort nicht erreichten, verendet im Moor. Die torfigen, erdigen Noten des Whiskys sollen an genau diese spannende Geschichte erinnern, die sich in dieser Abfüllung widerspiegelt, wenngleich der Whisky deutlich mehr Fruchtaromen liefert, als die Geschichte vermuten lässt.
Probieren durfte ich außerdem eine Sonderabfüllung, die zur Eröffnung der Brennerei auf den Markt kam, auf nur 42 Flaschen limitiert war und für EUR 420,- im Destillerie-Shop erhältlich ist. Tatsächlich macht dieser Whisky sehr viel Spaß und vor allem Bourbon- und Sherry-Fass haben sehr viel Einfluss genommen, während gleichzeitig das Rioja-Fass für viel Würze gesorgt hat. Diese Abfüllung war grundsätzlich jedoch eher als Sammlerflasche gedacht, die auf Wertsteigerung ausgelegt war, weswegen auch eine aus einem Baumstamm massiv hergestellte Box zum Lieferumfang gehörte. Den aufgerufenen Preis wäre mir der Whisky als Trinkflasche deswegen nicht wert gewesen, aber losgelöst davon hat mir der Flascheninhalt sehr gut gefallen. Ebenfalls nicht ganz günstig, aber trotzdem spannend und vermutlich trotzdem lohnenswert werden die Veranstaltungen im neuen Anbau sein. Hier wird es rund 190 Plätze für Tastings und andere Veranstaltungen geben. Geplant sind beispielsweise regelmäßige "Meet & Greet" Veranstaltungen, bei denen es auch ein Drei-Gänge-Menü geben soll, so dass mit Tischen rund 160 Menschen Einlass finden können. Thomas wird mit seinen hervorragenden Kontakten sicherlich spannende prominente Gäste für die Veranstaltungen finden.
Auch darüber hinaus hatte Thomas unzählige unterhaltsame Geschichten zu erzählen, die ich an dieser Stelle gar nicht alle widergeben kann und in manchen Fällen auch gar nicht möchte. Ich freue mich sehr darauf, meine eigene Flasche, die ich aus einem der beiden Handfill-Fässer abgefüllt habe, zu öffnen. Noch mehr freue ich mich allerdings darauf, die ersten Abfüllungen aus eigener Produktion mit den aktuellen Hellinger 42-Whiskys zu vergleichen, um zu sehen, ob der gewünschte Charakter tatsächlich getroffen wurde. An der Fassauswahl und an den finanziellen Mitteln wird es in Dresden sicherlich nicht scheitern, denn wer einen Kredit ablehnen kann, weil die Banken kein gescheites Angebot machen können, und stattdessen lieber auf Eigenkapital in Summe von rund 20 Mio. Euro inklusive Rohmaterial bis zur ersten Abfüllung zurückgreift, der sollte über ausreichende Mittel verfügen. Dafür soll es dann zukünftig aber auch rund eine Million abgefüllte Flaschen pro Jahr geben, die weltweit vertrieben werden sollen, so dass nach und nach eine große Menge Kapital ins Unternehmen zurückfließen kann.
An dieser Stelle bedanke ich mich noch einmal ganz herzlich bei Thomas Michalski für die gemeinsame Zeit, die Führung durch die Brennerei, die vielen Geschichten und die Probier-Drams. Meine Frau und ich hatten sehr viel Spaß und wir kommen sicherlich gerne noch einmal wieder, wenn die Produktion tatsächlich läuft, spätestens jedoch, wenn die erste Abfüllung aus den eigenen Brennblasen auf dem Markt ist.
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