Sonntag, 18. Juni 2023

Besuch bei der Copenhagen Distillery

Bei allerbestem Wetter, das uns glücklicherweise den gesamten Urlaub über begleiten sollte, machten sich meine Frau und ich Anfang Juni auf den Weg in unser nördliches Nachbarland nach Dänemark. Wer Drams United regelmäßig verfolgt, der sollte bemerkt habe, dass ich in den letzten Jahren ein gewisses Faible für dänische Whiskys entwickelt habe, so dass es nicht verwunderlich ist, dass auch in diesem Urlaub wieder ein Destilleriebesuch auf dem Programm stand. Auf der Hanse Spirit im vergangenen Januar habe ich die Copenhagen Distillery kennengelernt und war zunächst einmal von den vorhandenen Whiskys sehr begeistert. Außerdem bezieht die Destillerie ihr Getreide von Thy, deren Whisky ich bekanntermaßen ebenfalls sehr gerne mag. So habe ich mich mit Inhaber Henrik Brinks für einen späten Vormittag verabredet, ohne zu wissen, dass die Fahrt von unserem Urlaubsort zusätzlich zu den geplanten zwei Stunden noch einen Stau auf den letzten zwei Kilometern vor der Brennerei bereithielt. So kamen wir leider 15 Minuten zu spät und etwas durchgeschwitzt an, hatten im Anschluss aber gute zwei sehr spannende Stunden mit Henrik und Master Distiller Lasse.


Als wir das Gelände betraten, war ich erst einmal überrascht, wie groß Gebäude und Räumlichkeiten sind. Gestartet ist die Copenhagen Distillery ursprünglich in unmittelbarer Nähe zum Flughafen mit einer sehr kleinen Brennanlage, aber relativ schnell wurde klar, dass der Platz dort absolut nicht ausreichend ist. So folge einige Jahre später der Umzug zum heutigen Standort, wo man inzwischen zwar schon seit rund drei Jahren zu Hause ist, wo aber auch erst vor kurzer Zeit die letzten Abnahmen durch die Behörden erfolgten. In einer alten Halle befindet sich neben der neuen Brennanlage von Müller aus Deutschland auch ein Teil des Fasslagers sowie ein großer Raum, der eine Mischung aus Bar, Open Work Space, Shop und Eventlocation ist. Selbstverständlich kann man hier die Produkte der Brennerei an der Bar probieren, gleichzeitig eignet sich die Location aber auch für bestuhlte Veranstaltungen mit bis zu 160 Personen oder für Konzerte mit bis zu 600 Stehplätzen. Tatsächlich treten vor der anstehenden Festival-Saison in Kopenhagen und Umgebung zahlreiche Band vor der feuerfesten Wand zum Still Room und dem Fasslager auf.

Auch hier handelt es sich übrigens um eine Besonderheit, denn dass Still Room und Fasslager räumlich nicht getrennt sind, ist wirklich eine große Ausnahme. Die Behörden in Dänemark haben hier eine Ausnahmegenehmigung erteilt, da unter anderem aufgrund der Luftzirkulation in der Halle keine erhöhte Brandgefahr besteht. Tatsächlich haben die verschiedenen Genehmigungswege, bis die Brennerei in Betrieb genommen werden durfte, enorm viel Zeit und Kraft in Anspruch genommen. Inhaber Henrik war zunächst selbst Master Distiller, aber ein Großteil seiner Zeit musste er in den anstehenden Papierkram mit den Behörden stecken. Dabei kam ihm zugute, dass er ursprünglich als Anwalt erfolgreich war, so dass ihm die Behördensprache und die entsprechenden Gesetze nicht fremd waren. Auch heute noch verbringt er viel Zeit mit den Behörden, hat aber zumindest in der Produktion mehr Unterstützung, denn Lasse Öznek hat inzwischen die Rolle des Master Distillers übernommen und geht darin voll auf, wie wir später noch erfahren durften.

Zunächst aber führte uns Henrik durch die Brennerei und erläuterte uns die verschiedenen Produktionsschritte. Überhaupt will er viele Dinge anders machen, denn er möchte keinen schottischen Whisky kopieren, sondern einen Whisky produzieren, der seinem Geschmack entspricht. Dabei steht im Vordergrund, dass ein wirklich einzigartiges Produkt entsteht. Das beginnt mit der Location und geht über die Art der Produktion bis hin zum Fassmanagement, letztlich aber auch bis zum Flaschenpreis, denn der ist tatsächlich bei den bisherigen Produkten sehr hoch, ohne dass hier eine Änderung für die Zukunft in Sicht ist. Wenn man aber den Hintergrund der Produkte kennt und versteht, dann ist auch dieser Ansatz durchaus nachvollziehbar, wenn dieser Faktor auch gerade auf dem deutschen Markt nicht ganz einfach sein dürfte. Trotzdem gehört Deutschland neben den skandinavischen Ländern zu den Hauptmärkten der Brennerei. Dazu kommen Großbritannien und gerade in letzter Zeit auch die USA und Asien. Sicherlich werden viele Flaschen in Zukunft auf den asiatischen Markt gehen, die europäischen Kunden sollen aber keinesfalls vernachlässigt werden.

Bezüglich des Fassmanagements gibt es eine relativ einfache Regel. Es werden zu 99% nur Fässer aus frischer ungarischer Eiche verwendet, die exklusiv für die Brennerei angefertigt werden. Dabei wird sehr viel Wert auf die Auswahl der verwendeten Bäume verwendet. Überhaupt steht Nachhaltigkeit immer im Mittelpunkt der Brennerei, so dass die Produkte ein Bio-Zertifikat tragen dürfen. Besonders ist, dass das Getreide in der Brennerei sehr grob gemahlen wird und nach dem Maischen ungefiltert in den langen Fermentationsprozess von zehn Tagen geschickt wird. Dabei werden auch die Häute der Gerste nicht entfernt, da diese besonders viele Säurebakterien enthalten und so für zusätzlichen Geschmack im New Make sorgen. Diesen durften wir natürlich auch probieren und konnten feststellen, dass auch dieser schon pur sehr gut trinkbar ist. Grüne Noten treffen auf sehr viel Getreide und eine gemäßigte Süße, ohne dabei besonders alkoholisch zu wirken. Ins Fass geht der Spirit dann in der Regel mit 62 bis 64 Prozent, was dem eher traditionellen Ansatz entspricht.

Aber natürlich wollen wir noch einmal zu den Fässern zurückkehren. Für den Raw, der Batch-weise abgefüllt wird, werden ausschließlich die schon angesprochenen Virgin Hungarian Oak Fässer verwendet. Auch hier durften wir noch einmal probieren, allerdings habe ich das aktuelle Batch schon im Frühjahr ganz ausführlich vorgestellt, so dass ich mich heute darauf beschränke, dass man hier eine tolle Mischung aus süßen, nussigen und fruchtigen Aromen erhält, ohne dabei die Eiche und die würzigen Noten zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Bei Refined und Rare geht es dann letztlich eher in Richtung Spielwiese der Brennerei. Man muss aber sagen, dass Fässer im Falle eines Seasonings immer von der Brennerei selbst vorbefüllt werden. Das sorgt dafür, dass beispielsweise PX-Fässer zunächst drei Jahre lang vorbereitet werden, bevor überhaupt der eigene Spirit einziehen darf. Auch der PX aus den Virgin Oak Fässern schmeckt übrigens sehr gut, aber das soll nicht im Mittelpunkt stehen. Dort gehört aber zum Beispiel die Fassprobe einer Abfüllung aus einem PX-Fass hin, für die Getreide verwendet wurde, das über Buchenholzrauch getrocknet wurde. Tatsächlich bleibt der Rauch dezent, dafür stehen die fruchtig-würzigen Noten des PX Sherrys im Vordergrund, ohne die getreidigen Noten der Brennerei, die sich mit grünem Apfel mischen, zu verdrängen. Wir haben hier die Fassstärke probieren können, die bei 64% lag. Wenn der Whisky auf den Markt kommt, wird er vermutlich auf leicht unter 60% herunterverdünnt werden. Überhaupt ist es Henriks und Lasses Philosophie, dass die Whiskys manchmal in Fassstärke und ansonsten mit einem recht hohen Alkoholgehalt abgefüllt werden.

Noch spannender wurde es beim nächsten Whisky, denn dieser ist eigentlich gar nicht frei erhältlich. Tatsächlich wurde für einige Jäger vor mehreren Jahren ein Schnaps hergestellt, der den Namen Schweiß trug. Bei Schweiß handelt es sich aber nicht um die bei Hitze produzierte Körperflüssigkeit, sondern es geht um Schweiß im Sinne eines Jägers. Hier ist die Definition dann anders, denn so wird das erste Blut eine Wilds genannt, das getötet wird. Im Rahmen der Nachhaltigkeit sollten Blut und Knochen des Wilds dann weiterwendet werden und wurden zusammen mit anderen Zutaten destilliert. Das fertige Produkt kam für zwei Jahre ins Fass, welches dann wiederum für diesen Blood & Bones Whisky verwendet wurde. Das Ergebnis liefert u.a. Kräuter, erdige Noten, Süße und Würze, die sich vor allem in Form von Pfeffer bemerkbar macht. Ein wirklich spannendes Geschmackserlebnis, dass ich so noch nie hatte. Vermutlich wird man aber kaum die Chance haben, seine Hände an eine der nur 50 Flaschen zu bekommen, die aktuell noch zurückgehalten werden. Vorrangig werden die Flaschen in der Destillerie an besondere Gäste ausgeschenkt, eventuell plant Henrik irgendwann ein paar der Flaschen zu versteigern. Das Gläschen in der Brennerei wird damit wohl mein einziger Dram dieser definitiv für Vegetarier ungeeigneten Abfüllung bleiben.

Zum Abschluss wollte uns Lasse unbedingt noch etwas völlig anderes zeigen und zog kurzerhand eine Probe aus einem Fass, deren Inhalt zu 100% aus Dinkel produziert wurde. Hier zeigte sich mal wieder, dass ein Whisky viel Zeit braucht, wenn er direkt aus dem Fass kommt. In der Nase war der Tropfen zunächst kaum wahrnehmbar, erst mit 15 bis 30 Minuten im Glas entwickelte sich hier eine tolle Note in Form von Getreide, Süße, Nüssen und Kakao. Am Gaumen war die Intensität schon deutlich früher erkennbar, aber auch hier entwickelte der Whisky mit der Zeit immer mehr Komplexität und immer neue Aromen. Auch auf diese Abfüllung darf man sicherlich sehr gespannt sein. Whisky darf sie sich schon nennen, aber wann der Tropfen in die Flasche kommt, ist aktuell noch offen. Abschließend bleibt zu sagen, dass meine Frau und ich einen wirklich tollen Vormittag in der Copenhagen Distillery erlebt haben. Deswegen geht mein ganz ausdrücklicher Dank noch einmal an Henrik und Lasse, die sich wirklich ausführlich Zeit für uns genommen haben. In Zukunft wird es übrigens auch noch vorgefertigte Cocktails geben, die es in Dänemark inzwischen auch in vielen Brewpubs vom Hahn gibt. Ich bin gespannt, ob dieser Trend auch nach Deutschland kommen wird. Die Copenhagen Distillery werde ich aber definitiv weiter im Auge behalten. Sie ist in vielerlei Hinsicht anders als andere, aber gerade dadurch auch besonders spannend. Darüber hinaus muss ich aber auch sagen, dass Henrik und Lasse zwei extrem sympathische Menschen sind, die mit viel Herzblut wirklich tolle Produkte produzieren. Ich freue mich schon heute aufs nächste Wiedersehen allerspätestens im Januar auf der nächsten Hanse Spirit.

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