Sonntag, 25. Oktober 2020

Whisky-Guide Helgoland - Tipps und Spielregeln für den Whiskykauf auf Deutschlands einziger Hochseeinsel

Wer Drams United schon länger verfolgt, der weiß, dass ich jedes Jahr mehrfach für einige Tage nach Helgoland fahre. Schon oft habe ich von Tastings auf der Insel oder nur dort erhältlichen Exklusivabfüllungen berichtet. Da meine Frau und ich nach unserer Rundreise durch Deutschland noch einige Tage frei hatten, haben wir noch einen Tagestrip nach Helgoland eingeschoben. Das ist mir eigentlich etwas zu stressig, da man, wenn man mit dem Halunder Jet von Hamburg aus fährt, gute drei Stunden Aufenthalt auf der Insel hat, dafür aber jeweils knapp vier Stunden für Hin- und Rückfahrt in Kauf nehmen muss. Da ein längerer Aufenthalt in diesem Jahr für uns aber nicht mehr realisierbar war, vor allem ich aber sehr gerne noch einmal auf meine Lieblingsinsel wollte, haben wir die Tour trotzdem auf uns genommen. Wo kann man aber auf der Insel am besten seine neuen Schätze einkaufen und welche Regeln muss man dabei beachten? Diese Frage taucht immer mal wieder in den verschiedenen Whisky-Gruppen auf, so dass ich hier einmal meine Einschätzungen zusammenfasse.

Wenn man mit dem Halunder Jet im Hafen angelegt hat, sind es nur ein paar Schritte, bis man den ersten Laden erreicht, in dem Whisky verkauft wird. Das EDF Duty Free Paradise ist noch relativ neu, bietet aber immer wieder einige Schnäppchen. Neben vielen Standards stehen nämlich immer wieder tolle Flaschen im Regal, die man sonst nicht ohne Probleme findet. Als ich im Sommer für eine ganze Woche auf der Insel war, habe ich dort zum Beispiel zwei Airport Editions für Schweden bzw. die Schweiz zu unschlagbaren Preisen gefunden. Diesmal habe ich dort die Reihe mit dem Exceptional Malt, Grain und Blend für jeweils nur EUR 17,50 gesehen. Leider bin ich nur mit Handgepäck gereist, sonst hätte ich mich sicherlich damit eingedeckt, ich habe aber noch von jeder der Abfüllungen eine angebrochene Flasche zu Hause im Regal stehen. Somit blieb mein Einkaufskorb hier diesmal leer, obwohl ich auch noch andere tolle Flaschen entdeckt hatte. Ein Großteil des Sortiments, das auch noch aus anderen Spirituosen, Süßigkeiten, Zigarren, Zigaretten und Parfüm besteht, kann auch im großzügigen und sehr ansprechend gestalteten Tasting-Bereich vor dem Kauf probiert werden. In loser Folge finden hier auch Tastings statt.

Nur ein paar Meter weiter findet man die erste von diversen Filialen, die zu Pförtner gehören. Zwei weitere davon befinden sich auf dem Lung Wai, der Haupteinkaufsstraße der Insel. Am liebsten stöbere ich im Blinkfuer, wo ich inzwischen sofort bei Betreten erkannt und gefragt werde, wie lange ich denn diesmal auf der Insel bleibe. Pförtner hat ein scheinbar schier unendliches Lager an Abfüllungen, die inzwischen schon vor knapp 20 Jahren abgefüllt wurden. Das hat den Vorteil, dass man immer mal wieder Abfüllungen findet, die schon lange vergriffen sind. Allerdings wird dort auch - allerdings mit Verzögerung - auf Preisentwicklungen reagiert. Im Sommer habe noch das Batch 37 vom Aberlour A´Bunadh für rund EUR 55,- erstanden, diesmal stand die Abfüllung für EUR 70,- im Regal. Ein Blick auch in die hinteren Regalreihen lohnt sich hier aber immer. Diesmal habe ich den Aureum 8yo The Fruity aus dem Zwetschgenbrand-Fass ergattert, der auf dem Festland nicht nur deutlich teurer war, sondern auch überall restlos ausverkauft ist. Ergänzt wird das Portfolio durch einige aktuellere Abfüllungen z.B. von Douglas Laing und durch einige Single Casks von Amrut. Hiervon liegt auch noch ein weiteres Fass im Lager auf der Insel, auf dessen Abfüllung ich schon gespannt warte. Die vorherigen Abfüllungen vom Herald, der exklusiv dort erhältlich ist, haben mir sehr zugesagt.

Auch bei Oswald an der Ecke vom Hafen zum Lung Wai lohnt es sich, immer mal wieder einen Blick zu riskieren. Der Schwerpunkt liegt hier allerdings ganz klar auf Standard-Abfüllungen, aber auch diverse alte und dementsprechend hochpreisige Originalabfüllungen findet man hier. In der Vergangenheit gab es außerdem einige exklusiv für diesen Laden abgefüllte Edradours, die mir gut gefallen haben. Probieren ist auch hier grundsätzlich vor dem Kauf möglich, allerdings habe ich auch schon die Erfahrung gemacht, dass ich schräg angeguckt wurde, als ich einen zweiten Whisky probieren wollte, ohne den ersten direkt gekauft zu haben. Das hängt aber sicherlich sehr davon ab, an welchen Verkäufer man gerät. Auch die Qualität der Beratung ist sehr schwankend. Ich habe hier schon die ernsthaft gemeinte Aussage gehört, dass die Aromen in den Whisky kommen, indem man Nüsse oder Früchte mit ins Fass gibt. Den entsprechenden Mitarbeiter habe ich allerdings seit gut zwei Jahren nicht mehr dort gesehen. Wer hier vorab stöbern oder von zu Hause aus zu aufgrund der Steuer leicht höheren Preisen bestellen möchte, kann dies im Online-Shop Helgoland tun.

Das große Highlight für Whisky-Nerds befindet sich jedoch etwas versteckter im Oberland. Viele Tagestouristen schaffen es gerade einmal zum Restaurant Bunte Kuh, um dort zu essen und ein paar Bier zu trinken. Von denen wird leider niemand Heiner´s Duty Free Shop zu Gesicht bekommen. Heiner ist mit Abstand der Händler, der am meisten von Whisky versteht und die besten Kontakte hat. In diesem Jahr hat er sein 25jähriges Jubiläum gefeiert und dafür diverse Sonderabfüllungen herausgebracht, die inzwischen aber alle bereits vergriffen sind. Natürlich finden sich auch hier viele Standards in den prallgefüllten Regalen des kleinen und unscheinbaren Ladens, dazu gibt es aber auch jede Menge Single Casks und derzeit sogar einige Abfüllungen, die ursprünglich nur für den asiatischen Markt vorgesehen und daher nirgendwo sonst in Europa regulär erhältlich sind. Das Probieren der meisten Abfüllungen ist ebenfalls ohne Probleme möglich, allerdings empfehle ich, ein eigenes Glas mitzubringen, da man sonst aus kleinen Plastikbechern trinkt.

Warum kann es sich Heiner aber leisten, so viele offene Flaschen vorrätig zu haben. Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach. Jeden Donnerstag gibt es hier ein Tasting, in dem Heiner (oder in dessen Abwesenheit sein Kollege Sascha) sechs Abfüllungen aus dem aktuellen Sortiment vorstellt. Für schlanke EUR 25,- bekommt man neben den sechs Drams außerdem reichlich Schokolade und Chips, um zwischendurch die Geschmacksnerven wieder zu erden. Außerdem finden regelmäßig Rum-Tastings, Whisky-Rum-Battles und ab und an auch Masterclasses statt, in denen dann die ganz besonderen und hochpreisigen Abfüllungen prästeniert werden. Als während der Corona-Hochphase keine Touristen nach Helgoland kommen konnten, hat Heiner die Tastings an Interessierte nach Hause verschickt, eine Variante, die wohl auch im kommenden Winter wieder auf den Tisch kommen wird. Schließlich finden die Tastings auf der Terrasse vor dem Laden statt. Ist es zu kalt, windig und nass dafür, ist eigentlich eine Verlegung in den Laden vorgesehen. Da dieser aber zu klein ist, wird das aufgrund der Abstandsregelungen in diesem Winter nicht möglich sein. Allein für die Teilnahme an einem der Tastings lohnt sich also schon ein etwas längerer Aufenthalt auf der Insel. Von allen offenen Flaschen kann man sich außerdem auch bei einem kürzeren Trip Samples zum anteiligen Flaschenpreis abfüllen lassen.

Wenn man nun so viele tolle Whisky probiert hat, bleibt also noch die Frage, was man denn überhaupt aufs Festland mitnehmen darf. Grundsätzlich darf jeder volljährige Gast auf der Insel einen Liter hochprozentigen Alkohol mit aufs Festland nehmen, ohne diesen verzollen zu müssen. Wer aber zwei 0,7l-Flaschen im Gepäck hat, liegt damit unterhalb der Bagatellgrenze von EUR 5,-, was vom Zoll nicht verfolgt wird. Ein aktives Ansprechen der eventuell vorhandenen Kontrolleure im Zielhafen ist aber notwendig, damit kein Strafzoll erhoben wird und somit die Freigrenze doch wieder gerissen wird. Ich vermute jedoch, dass die Kulanz hier relativ groß ist. Somit kann man beim Einkauf doppelt zuschlagen, ohne beim Zoll auf der Insel vorstellig werden zu müssen. Wer dann doch, wie es bei mir eigentlich immer der Fall ist, über die Stränge schlägt, kann seine Einkäufe auf Helgoland entsprechend nachverzollen. Das Büro des Zolls liegt im Hafen gegenüber der Hummerbuden und ein Liter Whisky liegt bei EUR 6,80, was bei manchen Schnäppchen noch immer sehr lohnend ist. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um einen Standard mit 40% oder eine fassstarke Abfüllung handelt. So ist man bei der Ankunft im Zielhafen auf der sicheren Seite. Bei meinen unzähligen Trips auf die Insel wurde ich allerdings erst einmal kontrolliert, war damals aber froh, einen entsprechenden Beleg vom Zoll vorlegen zu können.

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