Mittwoch, 19. Mai 2021

Online Tasting Riegger´s Selection - Das Beste aus zwei Generationen

Aktuell gibt es ja eine ganze Menge an verschiedenen Online-Tastings. Nachdem ich vor einem guten Jahr, als von heute auf morgen die Präsenz-Tastings nicht mehr stattfinden konnten, damit gar nichts anfangen konnte, bin ich inzwischen ein echter Fan geworden. Schließlich kann man sich den Whisky ganz gemütlich auf dem heimischen Sofa einschenken, die Interaktion kann über Chat- oder zum teil sogar die Video-Funktion erfolgen und am Ende muss sich niemand mehr auf den langen Heimweg machen. Das führt aber auch dazu, dass man an Tastings teilnehmen kann, die man sonst wahrscheinlich aufgrund der regionalen Einschänkungen nicht hätte besuchen können. Genauso ging es mir beim Riegger´s Selection Tasting, das unter dem Motto "Das Beste aus zwei Generationen" stattfand, denn Vater Uwe wurde von Tochter Lisa unterstützt. Von Hamburg nach Baden-Württemberg ist es für mich persönlich recht weit, virtuell ist es aber erfreulicherweise nur ein Klick. Deswegen habe ich mich auf die sechs Tropfen aus diesem Tasting ganz besonders gefreut.


Den Start in den Abend machte ein deutscher Tropfen, der als Red Deer VI Black Forest Summer Edition abgefüllt wurde. Woher der Whisky kommt, wird nicht verraten, klar ist nur, dass er im Schwarzwald gebrannt wurde. Seinen Namen verdankt er seinem sommerlichen Aroma, das durch eine sechsjährige Reifung im Ruby Port Fass entstanden ist. So bietet er in der Nase Erdbeeren, Rhabarber, Aprikosen und eine leichte Säure, am Gaumen dann zusätzlich etwas Würze und eine leichte Orangennote. Insgesamt ist er am Gaumen etwas weniger süß als in der Nase. Das Fass mit dem Red Deer lagerte übrigens durchgängig bei Riegger vor Ort in der sogenannten Hall of Angel´s Share. Dabei handelt es sich um ein direkt in den Berg gebautes Warehouse, nachdem auch die örtliche Hausmesse benannt wurde. Das Ruby Port Fass ist aber nicht das einzige spannende Fass des Abends bzw. im Warehouse. Durch den internationalen Groß- und Einzelhandel mit Wein kommt Riegger regelmäßig an tolle Fässer die anderen nicht zugänglich sind.

Das zweite spannende Fass enthielt zuvor einen Brunello, also einen schweren italienischen Rotwein, bevor ein Tropfen der Speyside Distillery von 2009 einziehen durfte. Normalerweise füllt Riegger am liebsten in Fassstärke ab, hier hatte das Fass aber so viel Kraft und hat dem Whisky bei seiner Reifung bis 2018 so viele Tannine mit auf den Weg gegeben, dass eine Reduzierung auf Trinkstärke mit 46,3% sinnvoll war, um dem Whisky sein gesamtes Potenzial zu entlocken. In der Nase gibt es hier dunkle Früchte, Rotwein, Würze, Nüsse, dunkle Schokolade und Rosinen. Insgesamt wirkt der Whisky sehr schwer und stellt damit einen echten Gegenpol zum Red Deer dar. Geschmacklich bekommt man dann einen wenig süßen Kirsch-/Traubensaft mit einer leichten Würze, etwas Kakao und Nüssen. Der Whisky ist dabei recht trocken, so dass ich gut nachvollziehen kann, dass man ein Herunterverdünnen auf Trinkstärke als bessere Option angesehen hat, denn die Trockenheit kann sich durchaus als zu ausgeprägt erweisen, wenn sie auf einen hohen Alkoholgehalt stößt.

Es folgte ein Whisky, der erst im vergangenen März das Fass verlassen hat. Der GlenAllachie 2008/2021 reifte zunächst in einem Bourbonfass, bevor er dann ab Februar 2017 für vier Jahre in ein Gewürztraminer-Fass von einem badischen Winzer umzog. Dabei legt die Familie viel Wert darauf, dass verwendete Sherry-Fässer immer mindestens 20 Jahre befüllt waren und alle anderen Fässer ebenfalls "echte" Vorbelegungen waren, es also keine Seasoned Fässer gibt. Alle Fässer werden ganz kurz nach der Entleerung mit dem zu reifenden Whisky befüllt. Beim wirklich spannenden GlenAllachie wurden so karamellisierte Bananen, Mandarinen, gelbe Pflaumen, sehr helle Schokolade und Honig ins Glas gezaubert, die sich auch am Gaumen fruchtig-süß mit Bananen, weißer Schokolade und etwas Lebkuchen präsentieren. Ein paar Tropfen Wasser verleihen dem Whisky etwas mehr Säure, im Abgang wird er würziger.

Auch der folgende Tomatin hat eine spannende Reise hinter sich, denn er reifte ab 2007 zunächst im Rumfass, bevor er 2015 in ein Molitor-Fass umzog, das zuvor einen Linkwood enthielt. In der Nase sorgt das für fruchtige Aromen mit Feigen, Datteln und Aprikosen, dazu kommen Honig und Karamell. Geschmacklich verwandeln sich die Früchte in Trockenfrüchte in Kombination mit Nüssen, Rosinen und einem leichten Kräuteraroma. Wie übrigens alle Whiskys des Abends mit Ausnahme des Red Deer sind die Flaschen in der 0,5l-Größe zu bekommen. Das liegt an der Nähe zur schweizerischen Grenze, denn so wird es den Schweizern einfacher gemacht, sich gleich zwei Flaschen in den Warenkorb zu legen, ohne dann beim Zoll noch einmal zur Kasse gebeten zu werden. Das gilt natürlich auch beim folgenden Tullibardine, dem jüngsten Tropfen des Abends. Seine Reifezeit von 2013 bis 2017 hat er mit einem Finish im Peated Ardmore Cask beendet, was für überraschend viel Rauch, Marzipan, helle Früchte, Nüsse und einen guten Spritzer Maggi gesorgt hat. Maggi und Früchte stammen vermutlich eher aus der Erstreifung im Oloroso-Fass, das Finish fiel dann mit zwei Monaten recht kurz aus. Am Gaumen ist der Whisky dann süßer, aber der Rauch kommt weiterhin gut durch. Dazu kommen wieder helle Trockenfrüchte und Honig.

Das Finale bildete dann Stoisha (ja, dem Heavily Peated Bunnahabhain fehlt ein "a", aber das ist Absicht) aus dem Refill Sherry Butt. Wem die fassstarken 60,2% zu kräftig sind, der kann diesen Whisky übrigens auch als Trinkstärke bekommen. Wir blieben zum Abschluss aber bei der Fassstärke und erhielten in der Nase ein sehr präsentes Raucharoma mit speckigen Noten, geräucherter Mettwurst und hellen Früchten. Letztere kommen am Gaumen deutlich stärker zum Vorschein und bringen auch mehr Süße mit. Honig und Feigen sind ebenfalls zu erkennen, aber die Rauchnote bleibt vor allem im Abgang sehr präsent. Anschließend konnten die über 100 Teilnehmer des Tastings noch nach Lust und Laune im Shop einkaufen, denn auch der eigentlich vergriffene Tomatin wurde noch einmal freigeschaltet, da ein kleines Kontingent für das Tasting zurückgehalten wurde. Wer aber bei Riegger leer ausgegangen ist, sollte mal einen Blick in den Shop vom Whiskyhort werfen, denn dort ist er aktuell noch verfügbar. Mir hat das Tasting insgesamt sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich sehr, wenn es in Zukunft noch einmal eine Neuauflage gibt.

PS: Wer übrigens bei der Angabe der Bezeichnung der Spirituose den Zusatz Scotch vermisst - dieser fehlt, weil die Fässer in Deutschland lagern und abgefüllt werden. Somit handelt es sich eben "nur noch" um Single Malt Whisky.

Übersicht der verkosteten Whiskys:

Red Deer VI Black Forest Summer Edition, German Single Malt Whisky, Ruby Port Cask, 6yo, 47,8%, EUR 60,- (0,7l)
The Speyside, Single Malt Whisky, Brunello Cask Finish, Brunello Cask, 9yo, 46,3%, EUR 55,- (0,5l)
GlenAllachie 2008/2021, Bourbon Cask / Gewürztraminer Finish (seit 02/2017), 13yo, 58,4%, EUR 65,- (0,5l)
Tomatin 2007/2021, Single Malt Whisky, Rum Cask / Molitor TBA Cask (zuvor mit Littlemill belegt), 14yo, 57,3%, EUR 90,-
Tullibardine 2013/2017, Single Malt Whisky, First Fill Oloroso / Peated Ardmore Cask (Bourbon, zwei Monate), 4yo, 57,1%, EUR 45,- (0,5l)
Stoisha 2014/2021, Single Malt Whisky, Refill Sherry Butt, 60,2%, EUR 50,-

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