Wie schon in den vergangenen Jahren haben sich meine Frau und ich auch in diesem Herbst wieder auf die Reise durch Deutschland und einige angrenzende Länder gemacht, um verschiedene Destillerien zu besuchen. Da wir beide große Sympathien für die Niederlande hegen, war klar, dass auf jeden Fall auch ein Stopp in den Niederlanden eingeplant werden musste. Die Wahl fiel letztlich auf Zuidam Distillers in Baarle-Nassau, also die Brennerei, die für den Millstone Whisky bekannt ist. Dabei ist aber allein der Besuch des kleinen Städtchens schon ein Highlight, denn obwohl es nördlich der Grenze zu Belgien liegt, gibt es hier bedingt durch Verträge aus dem Mittelalter diverse belgische Enklaven, die dann zum Teil wiederum niederländische Unterenklaven enthalten. Das führt dazu, dass Grenzen teilweise mitten durch Häuser verlaufen. Das hat nicht nur während der Corona-Zeit zu einigen Verwirrungen geführt, sondern als es früher noch verschiedene Sperrstunden für die Niederlande und Belgien gab, mussten Gäste von Restaurants manchmal einfach nur den Tisch wechseln, um weiterhin bedient werden zu können. Auch bei Zuidam Distillers gibt es Grundstücke auf niederländischem und auf belgischem Grund, allerdings liegt der allergrößte Teil in den Niederlanden. Und genau diesen Teil durften wir uns gemeinsam mit Inhaber Patrick van Zuidam ansehen.
Sonntag, 10. September 2023
Besuch bei Zuidam Distillers in Baarle-Nassau / Niederlande (Millstone Whisky)
Wir starteten unseren Rundgang an den großen Stills von Forsythe, die ein Fassungsvermögen von beeindruckenden 17.000 Litern haben. Diese wurden extra für Zuidam angefertigt und verarbeiten täglich 30.000 Liter Würze, allerdings wird hier nur im Einschichtbetrieb von Montag bis Freitag gearbeitet. Es wäre also grundsätzlich möglich, die Produktion noch deutlich auszuweiten. Das verarbeitete Getreide kommt dabei fast ausschließlich aus der Region. Zum Teil wird die Gerste auf eigenen Feldern angebaut, dies macht aber inzwischen nur noch einen geringen Anteil aus. Da es in der Region aber viele Kartoffelbauern gibt, die auf ihren Feldern nur alle vier Jahre Kartoffeln anbauen können, hat man diese gewinnen können, um in den Jahren zwischen zwei Kartoffelanbaujahren Getreide für Zuidam anzubauen. Lediglich das Torfmalz wird aus Schottland importiert, da es in den Niederlanden keine Mälzerei gibt, die Rauchmalz produziert. Früher wurde Rauchmalz aus Belgien eingekauft, dieses erzeugt aber nicht das von Patrick und seinem Team angestrebte Geschmackserlebnis.
Überhaupt gibt es regelmäßig Veränderungen in der Brennerei, um die Qualität zu steigern. Zuletzt hat es fast in jedem Jahr einen Umbau oder eine Erweiterung gegeben, nur in diesem Jahr blieb alles beim Alten. Das führt auch dazu, dass inzwischen ein Großteil der Produktion computergesteuert ablaufen kann. Hierfür wurden auch sechs Messgeräte im Wert von jeweils rund EUR 13.500,- angeschafft, die u.a. Fließgeschwindigkeit und Temperatur des frischen New Makes messen, wenn er nach dem Brennvorgang durch die Rohre strömt. Das führt dazu, dass man besser steuern kann, eine gleichbleibend hohe Qualität zu erreichen. So soll der fruchtige Charakter im New Make zusätzlich sichergestellt werden, was zuvor schon durch eine überdurchschnittlich lange Fermentationszeit von neun Tagen und die Filterung der Würze vor dem Brennvorgang erreicht wurde. Beim Rye wird die lange Fermentationszeit sogar noch überschritten.
Nach dem Brennvorgang wird der New Make auf 60% Alkoholgehalt herunterverdünnt und dann ins Fass gefüllt. Beim Genever geht man sogar auf 45% herunter, um ein noch weicheres Ergebnis zu erzielen. Patrick ist ein großer Fan von Whiskys aus Sherry-Fässern, daher ist auch der Anteil an Sherry Casks bei Zuidam mit 52% sehr hoch. Das Besondere dabei ist, dass grundsätzlich keine Seasoned Casks eingesetzt werden, sondern ausschließlich "echte" Sherry-Fässer gekauft werden. Diese muss Patrick jedoch dann einkaufen, wenn sie angeboten werden, unabhängig davon, ob er sie gerade gebrauchen kann. Aus diesem Grund sammelt er die Sherry-Reste, die bei Lieferung in den Fässern sind, um die Fässer übergangsweise damit zu befüllen, bevor sie mit New Make befüllt werden können. So wird ein Austrocknen und ein Aromenverlust bei den Fässern vermieden. Für den Rye werden in der Regel Virgin Oak Fässer aus amerikanischer Eiche verwendet, die Patrick direkt aus den USA bezieht. Da es dort aufgrund des Bourbon-Booms in den USA gerade Lieferengpässe gibt, ist er aktuell gezwungen teurere Fässer aus Portugal einzukaufen. Auch der Genever lagert übrigens in der Regel zunächst in Virgin Oak.
Die Fässer lagern dann in verschiedenen Warehouses, von denen sich zwei direkt bei der Brennerei befinden. Im vorderen Lager sind die Temperaturschwankungen etwas höher, so dass man hier einen enormen Angels Share von 11% hat, im hinteren Lager, das etwas kühler ist, liegt dieser immer noch bei 8 bis 10%. Insgesamt lagern in den Warehouses rund 15.000 Fässer mit einem Inhalt von rund 4 Millionen Litern. Abnehmer sind neben den europäischen Märkten, wo inzwischen Kirsch Import den Import für Deutschland übernommen hat, vor allem die USA und Kanada, aber auch Asien wird immer stärker. Vor allem in Taiwan ist die Nachfrage sehr groß. Dabei sind die Niederländer genauso Farbtrinker, wie es den Deutschen immer nachgesagt wird. Je dunkler ein Whisky, desto besser lässt er sich verkaufen. So verkauft sich der von Patrick als "grandios" bezeichnete Peated White Port, der relativ hell ist, deutlich langsamer als die aktuellen dunklen Abfüllungen der Brennerei. Gebottled wird der Whisky übrigens auf einer brandneuen Abfüllanlage, beim Genever wird jedoch noch immer Hand angelegt. Hier gibt es noch ein Band um den Hals der Flasche sowie ein Wachssiegel. Wenn jedoch Patrick versucht, die Labels aufzukleben, landen die Flaschen regelmäßig im Karton mit den Flaschen, die nachgearbeitet werden müssen. Die Frauen aus der Produktion haben offenbar ein deutlich besseres Händchen fürs Labeln.
Aber natürlich wollte ich auch das eine oder andere Produkt der Brennerei probieren. Aufgrund der spannenden Tour wollte ich mich dabei aber nicht nur auf Whisky beschränken, sondern auch meinen ersten "richtigen" Genever ins Glas bekommen. Da ich aber noch fahren musste, konnte ich vor Ort nur kurz am Glas meiner Frau nippen, die sich drei spannende und völlig unterschiedliche Genevers einschenken ließ. Ich bekam aber ein paar Samples, die ich später im Hotel probieren konnte. Den Start macht ein Oude Genever, der einen Anteil an Rauchmalz bekommen hat und nach drei Jahren im PX Cask mit 38% abgefüllt wurde. Der Rauch ist durchaus präsent, gleichzeitig gibt es aber auch Vanille und Honig, die gemeinsam ein sehr mildes Gesamtprofil ergeben. Dazu kommen mit der Zeit aber auch Pfirsiche und Milchschokolade. Am Gaumen wird es noch fruchtiger, während gleichzeitig die Schokolade noch mehr in den Vordergrund tritt. Ich glaube, mit Genever muss ich mich häufiger beschäftigen.
Der 100 Rye Whisky wird zu 100% aus Roggen hergestellt und reift für mindestens 100 Monate in frischer amerikanischer Eiche. Vor kurzem wurde dieser Whisky bei den World Whisky Awards als World´s Best Rye ausgezeichnet, was mich natürlich neugierig gemacht hat. In der Nase tauchen hier vor allem Orange, Eiche, dunkles Karamell und Gewürze auf, während es am Gaumen bei einem ähnlichen Profil noch etwas würziger wird. Ich kann durchaus verstehen, warum dieser Rye so gut ankommt! Im Anschluss kümmere ich mich aber endlich um Single Malt Whisky, und zwar zunächst um einen sieben Jahre alten Tropfen aus dem PX Cask mit fassstarken 51,63%. Das PX Cask kommt hier sehr deutlich zum Vorschein, denn es gibt Rosinen, Gewürze und Liebstöckel. Gleichzeitig kommt er beerig-fruchtig daher, ohne zu süß zu wirken. Ähnlich geht es auch am Gaumen zu, wobei hier noch etwas mehr fruchtige Süße zum Vorschein kommt.
Es folgen noch die drei aktuell erhältlichen Sonderabfüllungen aus der Peated-Reihe, die allesamt mit 46% in die Flasche kamen. Den Anfang macht hier der Peated White Port 2018/2022, der ja leider das oben bereits beschriebene Farbproblem hat. Der Rauch erinnert hier an ein erloschenes Lagerfeuer, gleichzeitig gibt es aber eine frische und süße Fruchtigkeit, die sich in Form von Zitrusfrüchten, hellen Trauben und grünen Äpfeln zeigt. Ähnlich geht es am Gaumen zu, wobei mir hier irgendwie auch torfrauchige Gummibärchen in den Sinn kommen. Eine spannende Kombination! Es folgt der Peated Rivesaltes 3yo, der die eigentlich für Millstone typischen fruchtigen Aromen zunächst gar nicht zeigen mag, vielmehr startet die Nase rauchig, nussig und schokoladig. Erst mit der Zeit taucht auch ein Mix aus dunklen Kirschen und Orangenschale auf. Am Gaumen nimmt dann die Orangen- bzw. vielmehr Mandarinennote deutlich mehr Raum ein, während der Rauch weiterhin sehr präsent bleibt. Dieser Whisky wird dieses Jahr die Mandarine an den Adventssonntagen bei mir begleiten. Das Finale bildet dann der Peated Amarone 2016/2023, der leider in den meisten Shops bereits vergriffen ist, von dem ich aber auf der Rückreise bei einem Zwischenstopp in Roermond noch eine Flasche ergattern konnte. Natürlich gibt es auch hier wieder das Lagerfeuer, aber jetzt auch wieder in Kombination mit verschiedenen Früchten und Honigsüße. Neben Orangen und Trauben erkenne ich auch Datteln in der Nase. Geschmacklich kommt zu dem Mix aus Rauch und Frucht auch noch eine nussige Note hinzu, die durch milden Kaffee und etwas dunkle Schokolade ergänzt wird.
Übrigens hat auch der Peated New Make logischerweise jede Menge Rauch zu bieten, ist aber gleichzeitig sehr fruchtig und auch pur sehr gut trinkbar. Hier stimmt also die These, dass ein guter New Make bei einer guten Fassauswahl auch einen guten Whisky macht, absolut! Meiner Frau und mir hat der Besuch bei Zuidam Distillers sehr viel Spaß gemacht und ich habe zumindest im Nachgang auch noch sehr tolle Tropfen ins Glas bekommen, von denen inzwischen einige bereits in meinem Regal stehen. Ich empfehle jedem, sich auch einmal auf diese tollen Abfüllungen aus den Niederlanden einzulassen. Hier wird toller Whisky (und genauso spannender Genever) von sehr sympathischen Menschen gemacht!
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